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Spielstättenporträt

Hörst du den Sonnenuntergang?

Der KLANG!-Container sorgt in Neumühlen für einmalige sinnliche Erlebnisse

vonPeter Krause,

Wer am Elbstrand entlangwandert, erlebt tagein tagaus ein Gesamtkunstwerk, von dem die audiovisuelle MTV-Generation nur träumen kann. Schließlich werden hier Augen, Ohren und Nase gleichermaßen gereizt: Wir lassen die dicken Pötte, die Güter aus aller Herren Länder zu uns bringen, langsam an uns vorbeiziehen – ein Schauspiel, das Fernweh schürt. Das Plätschern des Wassers und die Schiffshupen vermischen sich zu allerschönstem Hörtheater. Und diese spezifisch duftende Mischung aus Öl, Meer und angeschwemmtem Holz stimuliert die Geruchsnerven gleich einer olfaktorischen Sinfonie. Dass die eine oder andere Strandbar diese multiplen Stimuli nutzt, um uns zum Biergenuss zu verführen und so auch noch den vierten Sinn anzusprechen – wen möchte es wundern.

Fürwahr bestens gewählt ist also der letzte Standort, den der KLANG!-Container vom 27. Mai bis 26. Juni einnehmen wird: nämlich an der Perlenkette unweit des Museumshafens von Neumühlen, wo Stadtplaner und Architekten ein Ensemble postmoderner Bürohäuser entwickelt haben und nun die Visionäre der Kochkunst, des Musikbusiness und der Welt der Agenturen ihre Ideen in die Tat umsetzen. Hier also wird nun der mobile und kleinste Konzertsaal Hamburgs aufgestellt, auf dem in großen Lettern der künstlerische Imperativ „KLANG!“ prangt. Keine simple Provoka­tion der Passanten, sich gefälligst doch mal mit der Musik der Gegenwart auseinanderzusetzen, soll der Container sein, sondern das niedrigschwellige und durchaus spontan zu nutzende Angebot, zu hören, hinzuhorchen und zu staunen, was die Welt der Klänge doch so alles hergibt. Und weil solche Experimente am besten funktionieren, je einmaliger sie sind, wird das furiose Finale am Schlepperhafen auch mit vielen Überraschungen aufwarten.

Da Musikschaffende gerne mit Improvisationen überraschen, stehen die ersten beiden Wochen ganz im Zeichen des Musizierens aus dem Stegreif. Zwei Schulklassen des Gymnasiums Bondenwald setzen sich dazu gemeinsam mit dem Komponisten Sascha Demand frei und spontan mit ihren Instrumenten auseinander. An vier Konzerttagen (am 3. und 4. sowie am 10. und 11. Juni) werden sie die Ergebnisse dieses kreativen Prozesses vorstellen. Dazu gesellen sich wechselnde illustre Gäste der Hamburger Profi-Szene der Improvisation und natürlich des Jazz, der ja die Spontaneität von jeher als sein markantestes Merkmal in sich trägt.

Nachdem zunächst also die Schüler zu Protagonisten der diversen Veranstaltungen werden, gehört der Container für die dann folgenden zwei Wochen vom 17. bis 25. Juni ganz dem Komponisten Burkhard Friedrich. Er will den KLANG!-Container unter dem Titel „Echo.Kammer“ erforschen und dabei dessen ureigenes musikalisches Material einbeziehen, um es mit den Klängen seines Umfeldes, die tatsächlich in ihn eindringen, in eine bewusste Beziehung zu setzen. Der Komponist erläutert: „Spielt man gelegentlich an den Stahlträgern, so tun sich Resonanzen mit bestimmbaren Tonhöhen auf, die, wenn man auf allen Stahlträgern gleichzeitig spielen würde, ein mikrotonales Klang-Geflecht ergäben. Ebenso reich ist der Boden an Klangfarben und Resonanzen. Je nachdem, mit was für einem Material man auf ihm geht, der Container resoniert.“ Schließlich wolle er noch die Kunststoff-Wände akustisch untersuchen. Denn auch hier sei erstaunlich viel Material zu sammeln, das die klangliche Authentizität des Containers unter Beweis stelle.

Eine vollends komplexe Klanglandschaft wird entstehen, wenn die Musik von innen auf jene von außen trifft und der Container so zum Instrument und Resonanzraum zugleich wird. Dazu wird Burkhard Friedrich persönlich im Container anwesend sein, um hier bis zu fünf Tage die Woche zu komponieren, somit im Wortsinn Klänge von innen und außen „zusammenzustellen“. Über die zwei Wochen entsteht so eine Komposition als Work in Progress, die schließlich am 26. Juni live aufgeführt wird und dann gleichsam das akustische Abbild des Containers und seines Standortes präsentiert. Wer hernach zum Elbstrand zurück flaniert, wird womöglich – synästhetisch verblüfft – den Klängen des Sonnuntergangs lauschen.

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