Um in der Klassik-Szene auf sich aufmerksam zu machen, reicht die künstlerische Leistung in der Regel nicht aus. Viele Karrieren werden mit reichlich Marketing-Aufwand beschleunigt, Plattenfirmen bringen CDs mit Hochglanz-Cover heraus, setzen ihre Schützlinge in Musikvideos in Szene oder schicken sie zu Musikexperten wie Markus Lanz oder Harald Schmidt.
Bei Igor Levit ist das anders: Weder gibt es eine Plattenaufnahme des jungen Pianisten noch aufwendig gestaltete Promotion-Kataloge, auch im Frühstücksfernsehen hat man ihn noch nicht gesehen. Es gibt „nur“ seine Konzerte – auf ihnen gründet sein Ruf. Der jedoch könnte besser nicht sein. Die Kritiker – das Bild ist zweifellos abgedroschen, doch in diesem Fall tatsächlich mal angebracht – liegen ihm zu Füßen. So schrieb Eleonore Büning in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Igor Levit hat das Zeug dazu, einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts zu werden. Besser gesagt, er ist es schon.“ Auch die „Süddeutsche Zeitung“ zeigte sich begeistert: „Er bringt den Flügel mit einer Differenziertheit des Anschlags, einer Selbstständigkeit der beiden Hände und Phantasie der Gestaltung zum Singen“, war da zu lesen.
Igor Levit selbst allerdings mag den Einfluss des Feuilletons auf eine Musikerlaufbahn nicht einschätzen. Im Gespräch hält er sich mit Äußerungen über den Klassikbetrieb höflich zurück. „Ich kann letztendlich nicht mehr machen, als mich gut vorzubereiten und alles zu geben. Am Ende zählt die Leistung am Instrument.“
Levit, 1987 in Nishni Nowgorod geboren, spielt Klavier, seit er drei ist. Mit dem Sinfonieorchester seiner Heimatstadt debütierte er als Sechsjähriger. Kurz darauf zog seine Familie nach Hannover, wo er als Hochbegabter an der Musikhochschule gefördert wurde. Seit er 2005 als jüngster Teilnehmer beim Internationalen Arthur Rubinstein Wettbewerb in Tel Aviv die Silbermedaille gewann, füllt sich sein Konzertkalender, zuletzt spielte er mit dem NDR Sinfonieorchester Prokofjew und mit dem Israel Philharmonic Rachmaninow.
Zum Abschluss des Liszt-Jahres 2011 widmete er sich intensiv den Werken des großen komponierenden Klaviervirtuosen. Für einen Dokumentations-Film, der auf 3sat lief, reiste Levit auf Liszts Spuren quer durch Europa. Von Levits Heimatort Hannover ging es mit dem Zug nach Zürich, weiter nach Bellagio am Comer See und von dort über Mailand nach Rom. Hier entstanden auch, inspiriert von italienischer Kunst und Literatur, die Werke, die Liszt später in seiner Sammlung „Années de pèlerinage, deuxième année, Italie“ zusammenfasste. Und in diesen Werken der „Wanderung“ findet sich ja vielleicht auch Levit, der reisende Virtuose, wieder.