Vor sechzig Jahren wurde Ingo Metzmacher in Hannover geboren. Durch seinen Vater, der in den 1920er-Jahren noch bei Julius Klengel in Leipzig Cello studierte, ist er von Kindesbeinen an mit der der großen deutschen Musiktradition in Berührung gekommen. Bachs Cellokonzerte beispielsweise kennt er aus dem Effeff. Aber bald schon entschied er sich für einen eigenen Weg – er entdeckte die Moderne für sich. Doch eigentlich spielt es für den Dirigenten keine Rolle, ob ein Werk aus dem 18. oder dem 21. Jahrhundert stammt. Sein eigentlicher Antrieb ist es, die Musik am Leben zu erhalten. Dafür wünscht er sich von seinem Publikum vor allem eines: Neugierde und Offenheit.
Ingo Metzmacher und das Ensemble Modern
Die erste wichtige Station nach seinem Klavier- und Dirigierstudium in Hannover, Köln sowie Salzburg, war beim Ensemble Modern. Unmittelbar nach deren Gründung 1980 war er dort zunächst als Pianist und ab 1985 auch als Dirigent tätig. In diesem jungen Ensemble traf er nicht nur Gleichgesinnte, sondern auch alle bedeutenden Komponisten nach 1945. Stück für Stück hat er sich die radikale Moderne erschlossen. „Es ist mir ein Anliegen, dass man ein Repertoire, einen Kanon dieser Werke schafft, dass es also selbstverständlich wird, dass Ives, Nono, Messiaen, Zimmermann und wie sie alle heißen, gespielt werden.“ Ein Plädoyer für solch wegweisende moderne Komponisten hat er in seinem Buch „Keine Angst vor neuen Tönen“ festgehalten.
Ab 1985 war er für zwei Jahre Korrepetitor unter Michael Gielen an der Oper Frankfurt, wo er sein Debüt als Operndirigent mit Mozarts „Le Nozze di Figaro“ gab. Das war eine wichtige Zeit für Ingo Metzmacher, die ihn sehr geprägt und sein Interesse an der Modernität von Bruckner, Beethoven oder Brahms geschärft hat. Schon bald darauf machte er auch international Karriere: Während der Ära von Gerard Mortier am Brüsseler Opernhaus La Monnaie übernahm er kurzfristig die Premiere von Schrekers „Der ferne Klang“.
Überraschungen fürs Publikum
Von 1997 bis 2005 war er Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper, die er mit umjubelten, international vielbeachteten Aufführungen, darunter viele in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Konwitschny, nachhaltig prägte. Seine glücklichste Erinnerung an Hamburg verriet er im concerti-Interview: „Der ‚Lohengrin’, unsere erste Wagner-Produktion, der ‚Wozzeck’, der ‚Freischütz’ kommen mir sofort in den Sinn. Es war die Zeit im meinem musikalischen Leben, wo man mir am meisten Zeit gelassen hat, kontinuierlich etwas zu entwickeln. Das vermisse ich schon. Und Peter Konwitschny vermisst das übrigens auch. Aber so ist das eben. Ich denke immer sehr gern an Hamburg zurück.“
In Hamburg überraschte er sein Publikum oftmals mit mutigen, nicht selten radikalen Produktionen. Wie beispielsweise mit „Who is afraid of 20th Century Music“ („Wer hat Angst vor der Musik des 20. Jahrhunderts“), so der programmatische Titel einer ganzen Serie von Hamburger Silvesterkonzerten von 1999 bis 2004. Statt zu Beethovens Neunter, ließ man bei Henze, Kagel, Strawinsky oder Ravel die Sektkorken knallen.
Wider den Genregrenzen
Metzmacher gilt als Dirigent neuen Typs. Einer, der den kollegialen Umgang mit den Musikern schätzt. Das hat er als Chefdirigent an der Niederländischen Nationaloper in Amsterdam sowie als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin bereits unter Beweis gestellt.
Seit letztem Jahr ist er zudem Intendant der KunstFestSpiele Herrenhausen in Hannover. Hat ihn etwa die alte Heimat gelockt? Vielleicht. Doch nicht nur, denn die Festspiele bieten vor allem eine große Bandbreite: Von Konzerten über Oper, Lichtkunst, Performance bis hin zu Videoinstallationen. Hier verschwinden die klar abgesteckten Genregrenzen. Ganz nach dem Geschmack von Ingo Metzmacher.
Ingo Metzmacher bei der Arbeit: