Joana Mallwitz lacht. Schaut durch die Bäume in den Himmel über dem Charlottenburger Café und dann in die Porzellantasse, die in ihrer langen eleganten Hand ruht. Nein, ein Teeblattorakel muss die 28-Jährige nicht bemühen, um die Frage nach dem kindlichen Drang zum ganzen Orchester zu beantworten. Denn der Lebens- und Karriereweg der Nachwuchsdirigentin, die im Herbst in Erfurt ihre erste Stelle als Generalmusikdirektorin antritt, hat sich scheinbar ganz von selbst gefügt. In einer Oper wäre wohl von Schicksal die Rede, bei Joana Mallwitz klingt die Geschichte ihrer Natur entsprechend etwas nüchterner.
Jungstudium in Hannover: für sie das „Paradies“
Von klein auf hat sie Geige und Klavier gespielt, gewann mehrfach bei „Jugend musiziert“. Prägend waren für die hochgewachsene Norddeutsche mit dem hellblonden Pagenkopf aber Hörerlebnisse von Orchesterwerken und Opern, Schuberts Sinfonien etwa oder Tristan und Isolde. Und so wollte schon die 13-jährige Joana unbedingt lernen, wie sich solch wunderbare Musik in sämtlichen Klangnuancen hervorrufen lässt.
Ihre Eltern, selbst keine Musiker, nahmen den Wunsch der Tochter sehr ernst und meldeten sie am Hannoveraner „Institut zur Früh-Förderung“ an. Nicht der Anfang eines „Karriere-Masterplans“, sondern einfach „ein kleines Paradies“ sei das Jungstudium für sie gewesen, versichert die Dirigentin – und etwas von diesem Glück spiegelt ihr konzentriertes Gesicht in diesem Moment wieder.
Mit nur 19 Jahren ans Theater in Heidelberg
War folglich ihre erste Stelle als 19-jährige Assistentin des Generalmusikdirektors in Heidelberg eine Vertreibung aus dem Garten Eden? Mallwitz, die mit einem Sänger verheiratet ist, schüttelt den Kopf: „Der Theateralltag hat seine Herausforderungen und Konflikte. Aber ich gehe immer davon aus, dass jeder, der dabei ist, eigentlich nur Musik machen will. Wenn man das in den Vordergrund stellt, geht alles.“ Sie hält kurz inne, bevor sie hinzusetzt: „Vielleicht bin ich da ein bisschen idealistisch.“
Was ihr indes offenbar nicht geschadet hat. Auf die Kapellmeisterstelle in Heidelberg folgten nämlich Einladungen zu Gastdirigaten, sie reiste nach Wien und Kopenhagen. Und für die Götterdämmerung in Riga hielt sich die junge Dirigentin mit Liegestützen fit: „Man braucht einfach eine gewisse Festigkeit im Arm, selbst wenn letztlich die Musik die Energie gibt. Trocken, ohne dass ein Orchester spielt, würde man als Dirigent keine Wagner-Oper überstehen.“
Die deutsche Romantik ist der neuen Generalmusikdirektorin vom Wesen her am nächsten, Bruckner allerdings sei noch nicht ihre Sprache: Ihn möchte sich die junge Frau für später aufheben.
In Erfurt auf neuen Wegen zum Publikum
Mozart hingegen, ist die leidenschaftliche Kammermusikerin überzeugt, werde sie ein Leben lang neu entdecken. Manchmal aber funkt es auch ganz unerwartet zwischen ihr, einem Werk und allen, die dabei sind. Donizettis Liebestrank etwa, für den sie im Frühjahr in Hamburg zu Gast war, würde sie nun am liebsten jeden Tag dirigieren. „Es war keine neue Inszenierung, aber da ging etwas los, das war elektrisch.“
So sucht die Dirigentin jetzt in Erfurt auch noch mehr den Kontakt zum Publikum, moderiert Einführungsveranstaltungen selbst und hat die Reihe „Erfurts Neue Noten“ initiiert, die überall in der Stadt präsent sein soll. Um bei diesem Pensum „den Energielevel oben zu halten und auf sich aufzupassen“, macht Joana Mallwitz täglich Yoga. Inspirieren lässt sie sich, die zu Hause sonst keine Musik hört, bei den Übungen oft von einer CD des Tenors Guiseppe di Stefano: „Wenn er immer noch Reserven hat und singt und singt, dann bekomme ich das Bein auch noch etwas höher!“