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Porträt über das Komponistinnen-Archiv Frau und Musik in Frankfurt

Existent, aber kaum präsent

Wie schön wäre es doch, wenn Komponistinnen auch in der Öffentlichkeit denselben Stellenwert wie ihre männlichen Kollegen hätten. Das weltweit größte und bedeutendste Komponistinnen-Archiv in Frankfurt leistet seit knapp vier Jahrzehnten Aufklärungsarbeit

vonJulia Hellmig,

„Von einer Recension soll gar nicht die Rede sein – und warum nicht? – weil wir es mit dem Werk einer Dame zu thun haben…“. Nicht nur Clara Schumann hatte mit Vorurteilen gegenüber komponierenden Frauen zu kämpfen, auch Komponistinnen wie Fanny Hensel gaben trotz eines familiären Verbots nicht auf, ihre Musik der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Und Rebecca Clarke wurde gar unterstellt, dass sie gar nicht existiere, sondern dass ihr Name ein Pseudonym für Ernest Bloch sei. Ganz im Gegensatz zu Mélanie Hélène Bonis, die die meisten ihrer knapp 300 Werke von vornherein unter dem geschlechtsneutralen Pseudonym „Mel Bonis“ veröffentlichte. Auch wenn dieses Versteckspiel glücklicherweise ein Ende hat, so stehen Komponistinnen nach wie vor im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Wie reichhaltig Frauen in der Musikgeschichte mitgewirkt haben und mitwirken, zeigt das in Frankfurt am Main beheimatete und weltweit größte Komponistinnen-Archiv Frau und Musik mit mehr als 25.000 Medien-Einheiten.

Nachlässe, Noten und Postkarten im Archiv Frau und Musik

Das Archiv Frau und Musik versammelt Noten von 1.800 Komponistinnen aus 52 Ländern und mehreren Jahrhunderten, zudem künstlerische Nachlässe von Musikerinnen, Zeitungsartikel, Broschüren, Sekundärliteratur, Bildmaterial und Tonträger sowie Facharbeiten über Musikerinnen und Komponistinnen. Weltweit einzigartig ist die Postkartensammlung von Damenblasorchestern um 1900. Weitere wertvolle Stücke sind zudem handschriftliche Briefe von Clara Schumann. „Außerdem beherbergen wir den Nachlass von Felicitas Kukuck “, erzählt Heike Matthiesen, und nennt damit nur eine von den vielen Kostbarkeiten, die im Archiv schlummern.

Hören Sie „Die Lechzende“ von Felicitas Kukuck:

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Die Gitarristin Heike Matthiesen ist im Vorstand des Trägervereins Internationaler Arbeitskreis Frau und Musik und ebenfalls in der Forschung aktiv. „Ich selber habe schon eine kommentierte Liste der Gitarrensolobestände erstellt“, berichtet sie. Diese Recherchearbeiten habe sie dann sogar genutzt, um einige der wiederentdeckten Werke auf CD einzuspielen. „Mein Album „Guitar Ladies“ habe ich tatsächlich durch die Anregung des Archivs aufgenommen.“

Vom emma-Artikel zum internationalen Arbeitskreis

Angefangen hat alles mit einem Artikel über vergessene Komponistinnen in der Zeitschrift „emma“, den Dirigentin Elke Mascha Blankenburg 1977 veröffentlichte. Daraufhin vereinten sich Musikerinnen und Komponistinnen aus aller Welt in einem Arbeitskreis. Zwei Jahre später wurde eine Forschungsstätte in Köln durch die Initiative von Blankenburg gegründet, nachdem sie den gesamten Noten-Bestand im musikwissenschaftlichen Institut Köln zu durchforsten begann und schließlich auf eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Komponistinnen stieß.

Eine Werke von Komponistinnen sind exemplarisch im Schaukasten des Archivs für Frau und Musik ausgestellt
Eine Werke von Komponistinnen sind exemplarisch im Schaukasten des Archivs für Frau und Musik ausgestellt © Karl Brendel

Anlass genug, um noch intensiver in diesem Bereich zu forschen – bis heute. „Unsere Nutzer sind hauptsächlich Wissenschaftler, Veranstalter auf der Suche nach besonderer Musik und natürlich die Musiker“, erläutert Heike Matthiesen. „Außerdem sind wir eine Art kulturelles Gedächtnis der Komponistinnen, aber auch Sprachrohr und Ansprechpartner für Medien und kulturelle Betriebe.“

Innerhalb von nur einem Jahr waren mit Hilfe der Mitglieder des Trägervereins Internationaler Arbeitskreis Frau und Musik e. V. rund 300 Komponistinnennamen in diversen Musikbibliotheken gefunden. Nach insgesamt vier Umzügen befindet sich das Archiv seit 2008 in den hoffmanns höfen in Frankfurt am Main, wo es mit viel Sorgfalt und Engagement gepflegt wird. „Finanziert wird das Archiv im Moment weitestgehend vom Land Hessen, sowie durch Spenden und Mitgliedsbeiträge“, erklärt die Gitarristin. „Bei uns arbeiten Wissenschaftler und Bibliothekare wegen der ewig wackelnden Finanzierung über Teilzeitstellen und als projektbezogene Mitarbeiter, dazu Ehrenamtliche, die zum Beispiel bei der Erstellung der Repertoirelisten mithelfen.“

Konzert der Gitarristin Heike Matthias im Rahmen der Veranstaltung zum deutschlandweiten Tag der Archive im Archiv Frau und Musik
Konzert der Gitarristin Heike Matthiesen im Rahmen der Veranstaltung zum deutschlandweiten Tag der Archive im Archiv Frau und Musik © Archiv Frau und Musik

Die Forschung hat noch viel zu tun

Neben dem Frankfurter Komponistinnen-Archiv Frau und Musik gibt es inzwischen weitere Institutionen, die um die gezielte Pflege und Verbreitung weiblicher Musikgeschichte bemüht sind: So hat es sich die Internationale Komponistinnen-Bibliothek in Unna ebenfalls zur Aufgabe gemacht, Werke von Komponistinnen zu sammeln, zu archivieren und vergessene Kompositionen wieder zu entdecken und öffentlich zu machen.

Auf Frauen spezialisiert hat sich der Furore Verlag, der ausschließlich Werke von Komponistinnen herausgibt. Der Verein musica femina münchen fördert seit 30 Jahren vor allem Komponistinnen aus dem Raum München. Und das Musikerinnen-Lexikon MUGI – Musik und Gender, beschäftigt sich wissenschaftlich, aber dennoch sehr ansprechend mit der Aufarbeitung von verschwiegenen, verkannten und unterschätzten Komponistinnen.

Und doch wird es, trotz der vielgestaltigen Aufklärungsarbeit, wohl noch einige Zeit dauern, bis sich der Zuhörer nicht mehr verwundert die Ohren reibt, nachdem er vielleicht zufällig ein Werk von einer Komponistin gehört hat. 2019 feiert nun erst einmal das Frankfurter Archiv sein 40-jähriges Bestehen und wird mit verschiedenen Jubiläumsveranstaltungen die komponierende Frau weiter in den Fokus rücken.

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