Sie sind die Bach-Familie von Lüneburg: Der Dirigent und Musikpädagoge Claus Hartmann, seine Frau Dorothea, die als Pianistin und Cembalistin aktiv ist, sowie Tochter Leonie, Geigerin am Mainzer Staatsorchester. Die drei Hartmanns sorgen seit vierzig Jahren dafür, dass in der alten Salz- und Hansestadt südlich von Hamburg regelmäßig ein musikalisches Großereignis stattfindet: die Lüneburger Bachwoche.
Johann Sebastian Bach kam 1700 als 15-jähriger Vollwaise in das heute beschauliche Städtchen, das damals 11.000 Einwohner zählte. Das lutherisch geführte Michaeliskloster bot begabten jungen Sängern „so nichts zu leben aber gute Stimmen zum Diskant haben“, sogenannte „Freitische“: Sie mussten regelmäßig im Michaelis-Chor singen und durften dafür bei freier Kost und Logis die bürgerliche Lateinschule besuchen.
Schwerpunkt auf populärer Musik aus Barock und Klassik
Angegliedert war eine „Ritterakademie“ für adlige Schüler; Bach verstärkte hier den „Mettenchor“ und erhielt im Gegenzug Unterricht in Fechten, Tanzen und Französisch. Einen Orgellehrer fand er auch: Georg Böhm von der Johanniskirche. Der sorgte allerdings dafür, dass sein Schüler sich bald über die Stadtgrenzen hinaus orientierte: Er schickte ihn nach Hamburg, um den berühmten Organisten Johann Adam Reincken beim Improvisieren zu erleben. 1702 errang Bach die Hochschulreife und verließ Lüneburg. Ob er hier bereits komponierte, ist nicht bekannt: Die älteste Handschrift aus seiner Feder stammt von 1705.
Trotzdem: 1978 war Lüneburg die einzige Stadt im Westen des damals geteilten Deutschland, in der Bach sich längere Zeit aufgehalten hatte. Deshalb regte Claus Hartmann an, eine „Lüneburger Bachwoche“ auszurichten. Der Dirigent organisierte sie selbst, brachte auch gleich ein Ensemble mit und nannte es „Lüneburger Bachorchester“. „Die Reaktion des Publikums war überwältigend“, erinnert sich Dorothea Hartmann. So wurde das kleine Festival mit dem Schwerpunkt auf populärer Musik aus Barock und Klassik schnell zu einer festen Größe im Lüneburger Kulturleben.
Klassikstars, die gerne zur Lüneburger Bachwoche wiederkommen
Und zu einer attraktiven Bühne für junge wie für arrivierte Künstler. „Wir hatten von Anfang an das Ziel, neben prominenten Musikern auch dem Nachwuchs ein Podium zu bieten“, so Dorothea Hartmann. Neben Stars wie dem französischen Trompeter Maurice André traten junge Talente wie Christian Tetzlaff, Baiba Skride oder Heinrich Schiff in Lüneburg auf. Und kamen gerne wieder. Etwa der Cellist Sebastian Klinger, der die Atmosphäre in den beiden großen Lüneburger Kirchen oder im Fürstensaal des Rathauses noch immer schätzt.
Das Konzept ist bis heute so geblieben: Das „Lüneburger Bachorchester“, bestehend aus Berufsmusikern und begabten Laien, wird seit 2010 von Leonie Hartmann geleitet und bildet das Rückgrat des Festivals. Daneben kommen Preisträger des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ und Stars wie Klinger oder die japanische Pianistin Miku Nishimoto. Und etwas zum Hinschauen: Das „Metamorphosen Ensemble“ aus Hamburg mit einem Tanzabend zu Kammermusik. Schließlich hat Bach in Lüneburg auch das Tanzen gelernt!
concerti-Tipp:
Lüneburger Bachwoche
21.-27. September 2018
Sebastian Klinger, Nemorino Scheliga, Johannes Unger, Lüneburger Bachorchester u. a.