Wenn er schon mal im Münchner Augustiner-Keller ist, dann muss es natürlich auch ein frisch gezapftes Bier sein. Und Miloš Karadaglić ist sichtlich begeistert: Seine braunen Augen strahlen, auf seinen Zügen liegt dieses einnehmende Lächeln, mit dem der Gitarrist in den letzten Jahren neben seinem virtuosen Saitenspiel die halbe Welt erobert hat. Wigmore, Royal Albert und Carnegie Hall, London Philharmonic, Chicago Symphony und Münchner Philharmoniker, Alben, die in den UK- und internationalen Classic Charts auf Platz eins geklettert sind: Der Mann hat eine echte Blitzkarriere hingelegt.
Schon als Student hatte der Montenegriner Preise wie den Ivor Mairants Guitar Award und den Julian Bream Award gewonnen, für die ersten Aufnahmen folgten dann Gramophone Awards, ein Brit Classic Award und 2012 der Echo als bester Nachwuchsinstrumentalist. Erfolge wie am Fließband, die ihn zeitweilig selbst ein wenig schwindeln ließen. „Meine Karriere verlief so schnell, ich wusste manchmal nicht mal mehr, wo ich gerade war.“
Wohl auch deswegen jene Handverletzung, die ihn Ende 2015 zu einer Pause zwang. Umso mehr freut sich Miloš – wie ihn alle Welt nur nennt –, wieder spielen zu können, dabei die Dinge vielleicht ein wenig ruhiger anzugehen. Indes wohl nur ein wenig, denn sein unbeirrbarer Ehrgeiz ist allenthalben zu spüren: Um aus dem an Klassik-Gitarristen nicht gerade reichen Montenegro in die Welt zu ziehen und dieser die Solo-Qualitäten des Instruments näherzubringen, muss einer eben schon ein Ziel haben. Ein Typ für Heldenverehrung war er denn auch nie – bei aller Begeisterung für John Williams, Julian Bream, Andrés Segovia, David Russell oder Manuel Barrueco: Lieber wollte der Musiker den „Helden in sich finden“, wie er das nennt – wobei: „Ich habe das Gefühl, dass ich gerade erst einen Bruchteil entdeckt habe.“
Seine ersten Griffe unternahm der Kleine auf Papas Gitarre
Ein Antrieb, der ihm in die Wiege gelegt worden war. Seine erste Gitarre, die einst seinem Vaters gehörte und ihn als Achtjährigen auf den Geschmack brachte, besitzt Miloš noch heute. Schon damals spielte und sang er in Krisenzeiten – etwa, wenn wieder mal der Strom weg war – für die versammelte Runde Pop oder Folk. „Durch diese Erfahrung lernte ich zum ersten Mal, wie Musik etwas in einem anderen Menschen verändern kann.“ Seither möchte er vor allem eines mit seinem Spiel erreichen: „eine Verbindung zu den Menschen herstellen“.
Kulturschock für den Teenager in London
Kein Wunder, dass es ihn – kaum hatte der Teenager in der Musikschule die Klassik für sich entdeckt – auf die Bühne zog und der Gitarrist schon bald in seiner Heimat berühmt war. Dank eines Stipendiums an der Royal Academy of Music lockte dann die Ausbildung zum klassischen Gitarristen und Miloš zog 1999 mit 16 Jahren nach London. Eine Stadt mit 16-mal so vielen Einwohnern wie ganz Montenegro – und für ihn ein Kulturschock. Noch dazu musste er seine Spieltechnik korrigieren, weit intensiver als je zuvor üben, und auch mit der erhofften Komposition von Paul McCartney klappte es nicht. Dafür aber mit einem Instrument des australischen Gitarrenbauergotts Greg Smallman: Auf einem Kreuzfahrtschiff, wo er als Dinner-Musiker aufspielte, entdeckten Paul und Jenny Gillham den jungen Gitarristen und verliebten sich in sein Spiel. Mit der Folge, dass das Unternehmerpaar solch ein kostbares Saiteninstrument kaufte und ihm leihweise zur Verfügung stellte: Würde er in fünf Jahren international erfolgreich sein, so gehöre die Gitarre ihm … Inzwischen nennt Miloš die Greg Smallman sein Eigen.
Dass dies Instrument seinen Ruhm weiter gemehrt hat, freut ihn – doch ist seine Popularität nicht auch ein wenig seinem attraktiven Äußeren geschuldet? Eine Frage, die ihn nur aufstöhnen lässt, der gern verwandte Begriff „Casanova der klassischen Gitarre“ sorgt für eine Grimasse in seinem smarten Antlitz. Klar weiß auch er, dass er gut aussieht: Nur, was hat das mit seinen musikalischen Fähigkeiten zu tun?! Viel lieber spricht Miloš da über seine Repertoire-Erweiterung, etwa klassische Beatles-Arrangements für seine aktuelle Produktion – allein: Ist das nicht doch ein wenig schlicht? Mitnichten: „Die Beatles-Songs fordern mich genauso, wie mich vor zwei Jahren die Rodrigo-Konzerte forderten – womöglich sogar mehr!“ Und überhaupt sei ihm Genre-Purismus völlig fremd, denn: „Alle Musik ist Teil eines Ganzen.“