Auf einer alten Gitarre, auf der mehrere Saiten fehlten, übte Miloš Karadaglić als Kind die ersten Griffe. Als er das verstaubte Instrument in seinem Elternhaus in Montenegro vom Schrank holte, hatte ihn bereits Andrés Segovia mit Asturias und Recuerdos de la Alhambrain seinen Bann gezogen. „So etwas Schönes möchte ich auch spielen können“, wünschte sich der Junge damals. Inzwischen ist Miloš einer der erfolgreichsten jungen Konzertgitarristen.
Sein neues Album „Mediterráneo“, dessen Repertoire er am 3. Dezember in der Laeiszhalle spielen wird, spiegle seine eigene Lebensgeschichte wider, sagt der 28jährige. Er kombiniert darauf klassische spanische Stücke von Albéniz, Tárrega und Granados mit Kompositionen aus anderen Mittelmeerländern. Miloš sieht sich als Teil dieser mediterranen Welt, die stark durch arabische Einflüsse geprägt wurde: „Die Mauren brachten die Gitarre nach Spanien, und der östliche Mittelmeerraum gehörte lange zum Osmanischen Reich. Ich selbst befinde mich irgendwo in der Mitte.“
Für Enrique Granados‘ Oriental begeistert sich Miloš auch deshalb, weil es nie zuvor auf einer Sologitarre gespielt wurde. „Das Stück wurde ursprünglich für Klavier geschrieben, auch auf zwei Gitarren habe ich es schon gehört“, sagt er. „Wenn ich es allein spiele, hat es für mich eine ganz besondere Magie.“ Auch ein Werk des Griechen Mikis Theodorakis und die Koyunbaba-Suite des Italieners Carlo Domeniconi, die eine mystische Heiligengeschichte aus der Türkei aufgreift, hat er eingespielt. Deren Klänge lassen ihn ans Meer denken, in dessen Nähe er seine Kindheit verlebte. „Ich habe viele Monate mit Freunden und Cousins am Strand verbracht“, erinnert er sich.
Schon früh begann seine Karriere als Gitarrist. Mit neun Jahren trat Miloš öffentlich auf, in den folgenden Jahren war er häufig im montenegrinischen Fernsehen zu Gast. Damit fiel er auf, denn in dem kleinen Land mit nur etwa 600.000 Einwohnern hat das Gitarrenspiel keine eigene Tradition. Als Teenager gab er sein erstes Auslandskonzert in Paris, später studierte er in London an der Royal Academy of Music. Ein Rockstar wollte er nie werden, seine Heimat ist von Anfang an die klassische Musik. Dass manche Leute die Gitarre nicht als vollwertiges Konzertinstrument ansehen, findet er absurd. „Es gibt doch so viel wunderbares Repertoire“, meint er.
Miloš möchte möglichst viele Menschen für den Klangreichtum seines Instruments begeistern. „Die Gitarre muss aus ihrer Nische geholt werden und eine Renaissance erleben. Das ist meine Mission!“