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Porträt Mohammad Reza Mortazavi

Tradition trifft Moderne

Mohammad Reza Mortazavi spielt beim Elbphilharmonie Festival „New Sounds of Iran“.

vonChristoph Forsthoff,

Auf der Bühne spricht Mohammad Reza Mortazavi kein Wort. In sich versunken sitzt der Mann da, hält lediglich seine Tombak in den Händen und webt mit der Linken am Rand helle, feine Muster, während die Rechte in der Mitte der Kelchtrommel den Takt schlägt. Doch mag der gebürtige Iraner bei seinen Auftritten auch ganz allein auf sich gestellt sein, der Perkussions-Virtuose entwickelt mit seinen flinken Fingern nicht nur ein rhythmisches Gewitter, sondern auch eine staunenswerte Tonvielfalt und einen unglaublichen Klangreichtum. Ja, wer die Augen schließt, glaubt bisweilen gar elektronische Sounds zu vernehmen, derart ziehen einen die Beats und rhythmischen Patterns in den Bann.

Kein Wunder, dass Mortazavi – Stargast des dreitägigen Festivals „Sounds of Iran“ – als weltbester Spieler auf den rituellen Handtrommeln Tombak und Daf (eine große Rahmentrommel) gilt. Ein Magier detailscharfer Technik, unter dessen tanzenden Fingerspitzen fast melodische Strukturen entstehen. Und der doch immer mehr angestrebt hat, als die reine Fingerkunst: „Nur Kunst zu machen, ist für mich Show und das zu zeigen, was man geübt hat – mein Ziel ist etwas anderes“, hat er einmal in einem Interview geäußert. Nämlich durch die Musik „einen Punkt zu erreichen, wo wir gemeinsam unseren Puls finden können. Es geht mir darum, dass die Zuhörer spüren, was ich spüre.“ Spüren, nicht hören – weshalb er eben auf der Bühne auch kein Wort redet. „Wenn geheim bleibt, was man erzählen möchte, dann sind die Menschen noch freier.“

 

So frei wie seine Kompositionen: Wohnt doch denen ein durchaus revolutionäres Element inne. Denn die Daf war einst eng mit den Ritualen der Sufi verbunden – jener islamischen Randgruppe, deren spirituelle Mystik den heutigen Klerikern im Iran ein Dorn im Auge ist. Wie so mancher der Festival-Künstler, die sich über die traditionelle Musik ihrer Heimat hinaus der Weltmusik anderer Länder und Kontinente geöffnet haben, und in der Folge ins europäische Exil gehen mussten. Denn daheim ist Popmusik verpönt und verboten – dass diese Musiker sich bei ihren Brückenschlägen zu Rap und Rock, E-Gitarre und Keyboards sehr wohl auch auf ihre Traditionen besinnen und ihr reiches klassisches Erbe meist bewusst integrieren, kümmert die geistlichen Führer wenig.

 

Ein bunter Mix der Genres


Umso spannender daher nun die geballte Konzentration dieser „New Sounds of Iran“ im Rahmen der drei Festivaltage im Mojo Club: Setzen die Macher von Elb- und Kölner Philharmonie doch bei ihren Konzerten auf möglichst kontrastreiche Künstlerpaarungen. Sei es nun zum Auftakt Mortazavi und das Londoner Projekt Ajam, dessen sechs Musiker Stammesgesänge mit HipHop mischen; tags drauf Pedram Derakhshani, der auf seinem Hackbrett und mit Band Jazz, Rock und persische Klassik zusammenführt, und dem mit Mamak Khadem eine klassisch ausgebildete Sängerin begegnet – oder auch am letzten Tag das Shanbehzadeh Ensemble, dessen Namensgeber Saeid nicht nur das persische Dudelsackspiel pflegt, sondern dies auch mit Jazz und Rock verbindet: Ihnen steht zum Finale der Tänzer Shahrokh Moshkin Ghalam gegenüber, in dessen Choreografien einmal mehr Tradition mit Moderne verbunden werden.

 

Und damit das Ganze kein rein passiver Genuss bleibt, gibt’s parallel dazu in den Herbstferien für die jüngeren Hamburger noch das Kreativ-Camp „Angedockt: New Sounds of Iran“ zum Mitmachen, wo nicht zuletzt in eigenen Projekten traditionelle und zeitgenössische Musik- und Tanzformen vermittelt werden sollen. Ganz im Sinne Mortazavis: Es geht darum, dass „die Zuhörer spüren, was ich spüre“.

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