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Porträt Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker

„Traum und Schock zugleich“

In der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker lernen junge Musiker aus aller Welt, sich in ein Spitzenensemble einzufügen

vonMatthias Nöther,

Konzentrierte Atmosphäre im Kammermusiksaal der Philharmonie. Der Geiger Christian Tetzlaff probt mit Mitgliedern der Orchester-Akademie ein Violinkonzert Mozarts. Weit und breit kein Dirigent, der Solist hat Gesicht und Instrument einem imaginären Publikum in Block A zugewandt – so, wie es im Konzert sein wird. Derweil organisieren sich die zwanzig jungen Musiker hinter Tetzlaffs Rücken. „Haben wir den Auftakt zusammen?“, fragt die Stimmführerin der Celli ihre Kollegin am ersten Violin-Pult. „Können wir an der Stelle Kontakt aufnehmen?“ Ohne Takt- und Einsatzgeber erfordert jede gemeinsame Note interne Abstimmung.

Der Nachwuchs probt an diesem Vormittag ohne seine Mentoren, die Mitglieder der Berliner Philharmoniker – doch die Art der Kommunikation haben sich die Jungen von den alten Hasen abgeschaut. Eine Laborsituation, der professionelle Praxistest einer vielsprachigen Truppe. „In die Orchester-Akademie kamen schon immer Musiker aus vielen Ländern, in den letzten Jahren hat sich dieser Trend stetig weiterentwickelt“, sagt Andreas Wittmann, Oboist bei den Philharmonikern und Geschäftsführer der Akademie. 

 

„Man übt noch drei- oder viermal so viel wie vorher“

 

„Es ist ein Begegnungsort für junge, hochbegabte Musiker aus der ganzen Welt, wir haben derzeit etwa Geigerinnen und Geiger aus der Türkei, Ägypten und Israel, auch Musiker aus Venezuela, Brasilien, den USA, Japan und Südkorea spielen mit.“ Die dann später in ihren Heimatländern zu Botschaftern des Berliner Orchesters werden? „Natürlich nehmen sie auch ein Stück dieser Spielkultur und Tradition mit.“ Wittmann kam einst selbst als Stipendiat der Akademie zum Orchester. „Zum ersten Mal im Orchester mitspielen zu dürfen, das war ein Traum und ein Schock zugleich, weil man sich von vielen Eindrücken überrannt fühlte. Es war eine ständig existente sehr hohe Anforderung.“ Und ein Ansporn: „Man übt noch drei- oder viermal so viel wie vorher.“

 

So sind die Stipendiaten denn auch zumeist in den Überäumen der Philharmonie anzutreffen – wie etwa die Trompeterin Cécile Glémot aus Frankreich, die seit letztem Herbst Mitglied in der Orchester-Akademie ist. Und das voller Begeisterung: „Es gibt eigentlich jeden Tag unerwartete, neue Dinge, die ich hier erlebe.“ Andreas Wittmann kennt das. „Es ist ein neues Gefühl, als junger, aufstrebender Musiker, zu spüren, wie so ein Orchester funktioniert. Wie man sich einzufügen hat in so einen Organismus.“ Glémot erlebt dieses Gefühl, wenn sie an hinteren Pulten inmitten des Spitzen-Klangkörpers sitzt. „Gleich am Anfang meiner Zeit waren wir bei einem New-York-Gastspiel dabei, da durfte ich in Strawinskys Feuervogel-Suite mitspielen.“ Mochte die Französin seinerzeit auch beim Probespiel ihr instrumentales Können bewiesen haben: In einem internationalen Profi-Orchester hatte sie bis dahin noch nie gesessen. 

Berliner Modell als Vorbild für Orchester in aller Welt 

„In professionellen, internationalen Spitzenorchestern weht ein scharfer Wind: Damit muss man lernen, zurechtzukommen“, sagt auch Andreas Wittmann. „Erfahrungen im Jugendorchester helfen natürlich – aber hier ist es nochmal ein ganz anderes Arbeiten.“ In früheren Zeiten hatten Anwärter auf Orchesterstellen solche Erfahrungen kaum vorzuweisen – was 1972 den damaligen Chefdirigenten Herbert von Karajan mit Hilfe finanzkräftiger Privatleute die Orchester-Akademie gründen ließ. Aus der Berliner Idee ist heute ein Vorbild für Orchester auf der ganzen Welt geworden: Mittlerweile gibt es in Deutschland praktisch kein Top-Ensemble, das nicht auch Auszubildende in seinen Reihen hat. Können sie doch hier lernen, was sonst im Musikeralltag kaum zu erfahren sei, sagt Wittmann – „den speziellen Spielstil zu adaptieren, vieles bewusst, vieles unbewusst“. In seiner eigenen Akademiezeit hatte Wittmann vor den Philharmonikern großen Respekt – doch schon bald sei diese Ehrfurcht weggefallen, „mit all den damals für mich so berühmten Musikern zu musizieren“. Und mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: „Man muss sich allmählich lösen von der Freude an der reinen Tatsache, dass man mitspielen darf.“

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