Preisträger verschiedener Wettbewerbe? Bei Musikern fast selbstverständlich. Doch diese Ausscheidungskämpfe stehen normalerweise nicht auf ihrem Programm: Mathematik-Olympiade, Bundeswettbewerb Fremdsprachen, Wettbewerb „Schüler experimentieren“ in Biologie. Die Vita des Alexander Krichel ist bunt. Besonders in den frühen Jahren. Danach gewann die Musik mehr und mehr die Oberhand.
Krichel ist Pianist. Ein Himmelsstürmer ohne störenden Glamourfaktor. 1989 in Hamburg geboren, wusste er schon früh, dass ihm die Musik mehr bedeuten würde als eine Mediziner-Karriere. Er begann das Klavierspiel im Alter von sechs Jahren, mit fünfzehn nahm er sein Studium an der Hochschule in Hamburg auf, dann wechselte er nach Hannover – eine Entscheidung, die sein Leben prägen sollte. Er kam zu Wladimir Krainew, dem letzten großen Schüler von Heinrich Neuhaus. „Ich bin sehr dankbar für die fünf Jahre, die ich bis zu seinem Tod 2011 bei ihm studieren konnte. Ich kann sagen, dass ich fast alles, was ich gelernt habe, von ihm habe. Er hat mir eine andere Welt eröffnet.“ Schon seine russische Klavierlehrerin hatte Krichel zuvor gesagt, dass „Krainew die Nummer eins ist, wenn man etwas pianistisch Großes erreichen möchte.“
Alexander Krichel – Die Natur des Klaviers überlisten
Was aber ist es konkret, das Alexander Krichel in solch euphorischen Dur-Tönen schwärmen lässt? „Die Neuhaus-Schule ist ja bekannt dafür, dass sie einen sehr tragenden, sehr singenden Klang hat und dass der Klang auch im Pianissimo nicht an Präsenz verliert.“ Es geht Krichel unter anderem darum, die Natur des Klaviers zu überlisten. „Das Klavier ist eigentlich ein Schlagzeug, der Ton wird physikalisch immer leiser. Wichtig aber ist, den Eindruck zu erwecken, dass der Klang zunächst lauter wird, bevor er verschwindet, so dass sich Linien wirklich abrunden.“
Der Name Krichel steht nicht für Mätzchen. „Selbstdarstellung ist nur ein Zeichen von Unsicherheit.“ Auch abseits der Tasten gibt er sich sehr natürlich, zugewandt, offen, heiter. „Bleiben, wer ich bin, das ist mein Ziel. Da mache ich zwischen Bühne und Leben keinen Unterschied.“ Auch bei seiner CD-Karriere lässt Krichel lieber Umsicht walten, statt blind auf die Tube zu drücken. Nach einer frühen Liszt-Aufnahme 2011 wechselte er den Labelpartner, landete bei Sony und setzte dort eine erste nachhaltige Klangnote mit Romantischem: „Ich bin selbst ein emotionaler, um nicht zu sagen: romantischer Mensch. Und romantisches Repertoire gibt einem die Möglichkeit, mit Gefühlen sehr ehrlich zu sein.“ Nach zwei Aufnahmen mit Orchesterwerken ließ Krichel zuletzt eine Einspielung mit Klavierwerken von Maurice Ravel folgen.
Kunst als Suche nach dem geeigneten Ausdruck
Natürlich weiß er um die Schwierigkeiten, häufig gespielten Werken immer noch Neues zu entlocken oder entlocken zu müssen, wie es die Gesetze des Marktes gern fordern. Doch solche Ansprüche lassen ihn kalt. Kunst sieht er nicht als olympische Sportart nach dem Motto „schneller, höher, weiter“ an, sondern als Suche nach dem geeigneten Ausdruck, nach etwas Wahrhaftigem. Seine Ideengeber findet er in einer Pianisten-Generation, die längst abgetreten ist. „Ich bin der Ansicht, dass viele Pianisten von heute, vor allem jüngere, an Präsenz verlieren, wenn sie piano spielen. Dabei ist gerade im Leisen die Gestaltung der Klangfarben von großer Bedeutung.“
Alexander Krichel ist ein wacher Geist, er lebt nicht im Künstler-Kokon, sondern verfolgt Tendenzen, Strömungen und die eigenen Ziele sehenden Auges und Ohres. Es klingt authentisch, wenn er gesteht: „Ich bin mit mir im Reinen, ich habe das Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein.“
Alexander Krichel spielt das 2. Klavierkonzert von Rachmaninow:
concerti-Termintipp:
Dresden
Fr. 28.9., 20:00 Uhr
Frauenkirche (Unterkirche)
Frauenkirchen-Bachtage | Bach modern
Alexander Krichel (Klavier)
Bach: Englische Suite a-Moll, Bach/Busoni: Chaconne, Mendelssohn: Variations sérieuses, Bach/Rachmaninow: Partita Nr. 3, Ravel: Le Tombeau de Couperin