Mit Vorsätzen an Silvesterabenden ist das so eine Sache. Was jedoch am 31. Dezember 1985 in Freiburg beschlossen wurde, ist zu einer wahren Institution der deutschen Orchesterlandschaft geworden. Damals nämlich entschied eine Handvoll Musikstudenten der Freiburger Musikhochschule, ein Ensemble zu gründen, spezialisiert auf Barockmusik, stilecht gespielt auf historischen Instrumenten. Dies war die Geburtsstunde des Freiburger Barockorchesters. Zwei Jahre und unzählige Proben später standen die Musiker erstmals unter ihrem heutigen Namen auf der Bühne. Seither ist der Terminkalender der 28 Mitglieder prall gefüllt, zählt das Orchester doch mittlerweile zu den besten Originalklangensembles der Szene. „Das Erfolgsrezept ist ihre Vielfalt“, erklärt Intendant und Geschäftsführer Hans-Georg Kaiser.
Unentdecktem auf der Spur
Das Freiburger Barockorchester beschränkt sich heute nämlich nicht mehr auf eine bestimmte Epoche, wie es sein Name durchaus vermuten ließe. Das Konzertrepertoire reicht von frühbarocken Werken bis hin zur Klassik, die bereits gespielte Opernliteratur von Monteverdi bis Beethoven, auch romantische Komponisten stehen auf der Agenda. Zudem sind die Musiker stets auf der Suche nach weitgehend vergessener Musik. Das Credo dabei lautet: Unbekanntes entdecken und etabliertes Repertoire in neuer Sprache präsentieren. „Wir sind immer bemüht herauszufinden, was der Kontext war, in dem die Werke entstanden sind, und stellen uns die Frage, was der Komponist mit seinem Werk gemeint hat“, so Kaiser.
Maßgeblich für die Profilbildung des Orchesters war und ist die Arbeit der künstlerischen Doppelspitze, bestehend aus dem Violinisten Gottfried von der Goltz und dem Cembalisten Kristian Bezuidenhout, der zum dreißigjährigen Jubiläum den Staffelstab von der Geigerin und langjährigen künstlerischen Leiterin Petra Müllejans übernahm. „Bei der Zusammenarbeit geht es vor allem um eine fruchtbare und sich gegenseitig stimulierende Koexistenz“, sagt Kaiser. Unterstützend dazu tagt einmal im Monat die Künstlerische Leitung mit Orchestervertretung, Intendanz sowie dem Dramaturgen Martin Bail und diskutiert über Repertoire, Besetzungsfragen und aufführungspraktische Details. Ein Konzept mit Erfolg, denn im Orchester herrscht wenig Fluktuation. Viele derer, die zu Gründungszeiten dabei waren, sind es noch heute. „Es ist eine sehr stabile Gruppe von Menschen mit den gleichen Zielen“, meint Kaiser – vor allem in Hinblick auf die Organisation der Musiker, die sich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst verwalten und mit der Eröffnung des Freiburger Ensemblehauses 2012 eine musikalische Heimat gefunden haben.
Mit oder ohne Dirigent
Ebenso demokratisch wie seine Organisationsstruktur ist, steht das Orchester beim Großteil seiner bis zu hundert Konzerte pro Jahr auf der Bühne, ohne Dirigent, geleitet vom Konzertmeister – just so, wie es im 18. Jahrhundert üblich war. Stehen größer besetzte Werke auf dem Programm, setzt man auf langjährige Freundschaften zu Gastdirigenten wie René Jacobs und Pablo Heras-Casado. Sehr erfolgreich war die Einspielung von Mozarts „Idomeneo“ unter Jacobs’ Leitung, für die der Klangkörper 2009 den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt. Die Liste international erfolgreicher Interpreten, mit denen die Freiburger zusammenarbeiten, darunter Namen wie Philippe Jaroussky, Isabelle Faust, Christian Gerhaher, Sir Simon Rattle und neuerdings auch Teodor Currentzis, spricht für sich. Die Nachfrage nach ihren Konzertreihen im Freiburger Konzerthaus, der Stuttgarter Liederhalle und der Berliner Philharmonie bleibt ungebrochen. Wenn also jemand mit Fug und Recht von der Sinnhaftigkeit von Neujahrsvorhaben überzeugt sein darf, dann jene Handvoll Studenten vom Silvesterabend 1985.