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Porträt Reinoud Van Mechelen

Musik statt Politik

Als junger Erwachsener stand Reinoud Van Mechelen vor dem beruflichen Scheideweg. Die Entscheidung des Sängers war goldrichtig, wie man hört.

vonIrem Çatı,

Als ein Tenor, „der dazu fähig ist, auch hohe Töne zu singen“, beschreibt Reinoud Van Mechelen den französischen Haute-Contre. Dieser ist aber keinesfalls mit einem Countertenor zu vergleichen! Nein, ein Haute-Contre bleibt ein Tenor, der es schafft, die hohen Töne aus der Brust oder einer voix mixte, einer Mischstimme aus Brust- und Kopfstimme zu erzeugen. „Andererseits kann ich aber auch die tiefen Töne des Evangelisten aus Bachs ,Johannes-Passion‘ singen. Dabei klinge ich natürlich nicht wie ein Bariton, aber ich habe eine große Spanne“, erklärt der 36-Jährige Belgier. Damit feiert er enorme Erfolge in der Alten Musik.

Noch während seines Studiums am Königlichen Konservatorium in Brüssel hat er sich in William Christies und Paul Agnews Nachwuchsschmiede „Le Jardin des Voix“ beworben und wurde gleich akzeptiert. „Das war so eine große Sache für mich“, erinnert sich Van Mechelen. „Es hat mir mehr bedeutet als im Lotto zu gewinnen.“ Seitdem ist er regel­mäßig als Solist bei Les Arts Florissants zu Gast, reiste mit dem Ensemble und Christie in die Musikmetropolen Paris, New York, Moskau und sogar nach Korea. Zusammenarbeiten mit renommierten Barock­ensembles folgten, so auch dem Collegium Vocale Gent unter Philippe Herreweghe. „Als belgischer Musiker wächst man mit den Platten von Herreweghe auf. Wenn er ein Konzert dirigiert, passieren wirklich wunderbare Momente.“

Feierte früh Erfolge mit William Christie und Les Arts Florissants: Reinoud Van Mechelen
Feierte früh Erfolge mit William Christie und Les Arts Florissants: Reinoud Van Mechelen

Studienabbruch mit positiven Folgen

Van Mechelen entdeckte die Musik in frühen Jahren durch seinen Onkel Simen Van Mechelen, einem bekannten Barock­posaunisten. Seine Kindheit und Jugend waren geprägt durch sein Mitwirken in mehreren Orchestern und Chören. „Das war alles nicht auf einem sehr hohen Level, aber es hat mir doch einige Erfahrung eingebracht“, sagt er. Mit achtzehn Jahren bekam er dann zum ersten Mal wirklich Gesangsunterricht und ließ nach einem Jahr die Universität sausen, um am Brüsseler Konservatorium Gesang zu studieren. Später gründete er das Barockorchester A Nocte Temporis, das sich den großen Haute-Contre-Sängern des 17. und 18. Jahrhunderts verschrieben hat und zudem mehr französische Werke auf die belgischen Spielpläne setzen möchte.

„Das Wichtigste für mich war, eine Balance in meiner musikalischen Karriere zu finden. So kann ich weiterhin als Solist Teil großer Projekte sein, aber mit A Nocte Temporis Dinge umsetzten, wie ich sie mir vorstelle“, erklärt der Sänger. Zukünftig möchte er mit seinem Ensemble das ­Repertoire der klassischen Epoche erforschen. Ein Mozart-Album ist schon in Planung, eins mit Werken von Haydn bisher noch eine Idee. Als ­Solist hat Van Mechelen außerhalb der Alten Musik auch Bizet, Berlioz und Britten ­gesungen.

Neben der Musik spielt das Thema Politik für Reinoud Van Mechelen eine große Rolle. Fast hätte er sich sogar für ein Politik- und nicht für ein Musikstudium entschieden. Heute ist er froh, dass er kein Politiker geworden ist. „Wenn ich den Anfang des dritten Teils aus Haydns ,Schöpfung‘ oder die ,Johannes-Passion‘ singe, dann fühle ich mich wirklich gesegnet. Dieses Gefühl kann mir Politik nicht geben.“ Als politisch würde er sich dennoch bezeichnen, vor allem wenn es darum geht, Menschen für klassische Musik zu begeistern und die Welt insgesamt zu einem faireren Ort für seine zwei Kinder zu machen. Mit direkten politischen Aussagen hingegen halte er sich – zumindest in der Öffentlichkeit – zurück. „Damit bin ich sehr vorsichtig, weil ich denke, dass das Menschen eher zurückschreckt, als sie zusammenzubringen.“ Und genau das will Van Mechelen – am besten mit Musik.

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