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Porträt Rundfunkchor Berlin

Musik zu den Menschen bringen

Der Rundfunkchor Berlin geht auf sein Publikum zu

vonAntje Rößler,

Die Bandbreite ist schon beeindruckend: Sie reicht vom solis-tisch zugespitzten Spaltklang einer Renaissance-Motette über den hochromantischen Mischklang bei Brahms oder Bruckner bis hin zu komplizierten zeitgenössischen Werken und experimentellen Vokaltechniken. All das haben die 64 Sängerinnen und Sänger des Rundfunkchors Berlin drauf – wobei sie überdies in der Lage sein müssen, jederzeit auf dem musikhistorischen Zeitstrahl hin und her zu springen. Solch ein Spagat bleibt nicht aus, wenn man rund 60 Konzerte im Jahr gibt. Im Zentrum des breit gefächerten Repertoires stehen jedoch die großen chorsinfonischen Werke des 19. Jahrhunderts.

Die Wurzeln des Rundfunkchors Berlin reichen bis in die Anfänge des Hörfunks zurück. 1925 wurde der „Berliner Funkchor“ als erstes Ensemble seiner Art gegründet – gerade als das Radio sich anschickte, zum Massenmedium zu werden. Seit 2001 wird der Rundfunkchor von dem englischen Dirigenten Simon Halsey geleitet, der fasziniert ist von der Tradition des Ensembles. „Als ich den Chor übernahm, hatte er noch viele ostdeutsche Mitglieder, die an den wenigen DDR–Musikhochschulen und oft bei denselben Lehrern studiert hatten. Ich fand also einen sehr homogenen Klang vor.“ Auf internationalen Tourneen hatte sich der Rundfunkchor schon vor 1989 einen exzellenten Ruf erworben. Der rettete ihm dann auch das Leben, als mit der Abwicklung des DDR-Rundfunks auch sein Chor zur Disposition stand. Halsey schwärmt geradezu vom Klang des Rundfunkchors: Sauber sei der und trotzdem warm. „Britische und skandinavische Chöre haben die Reinheit, aber nicht immer diese intensive Wärme. Südeuropäische und amerikanische Chöre singen mit Wärme, erreichen aber nicht immer die Klarheit. Die Mischung aus beidem macht den Rundfunkchor Berlin unverwechselbar.“

Halsey ist nicht nur in künstlerischer Hinsicht ein Glücksfall für den Rundfunkchor. „Ich schätze Simons offene Art, seine Kritik-fähigkeit und die Ehrlichkeit, mit eigenen und fremden Fehlern umzugehen“, meint Sören von Billerbeck, der im Bass singt. Der Dirigent ist ebenso umgänglich wie begeisterungsfähig, was entscheidend zur harmonischen Atmosphäre unter den Sängern und Mitarbeitern beiträgt. Zudem ist das koboldhafte Mischmasch aus Deutsch und Englisch, mit dem der Brite sich hierzulande verständigt, von unschlagbarem Charme.

Simon Halsey gibt sich aber nicht mit der traditionellen Chorleiter-Rolle zufrieden. „Er engagiert sich auch in kulturpolitischen Fragen und gestaltet das Profil des Chores aktiv mit. Er fühlt sich für alle Bereiche verantwortlich“, sagt Sören von Billerbeck. Vor allem das Bewusstsein für Öffentlichkeitsarbeit sei bei ihm tief verankert.

Gemeinsam mit dem Chormanager Hans-Hermann Rehberg hat Halsey die Initiative „Broadening the Scope of Choral Music“ (den Wirkungskreis der Chormusik erweitern) ins Leben gerufen. „Es wächst eine Generation heran, die viel von Computern und Popkultur versteht, aber nichts von klassischer Musik“, sagt er. „Man muss die Musik wieder zu den Menschen bringen. Deswegen organisieren wir Projekte, in denen Laien und Kinder mit uns singen.“ Eine besondere Begegnung zwischen Chor und Publikum verspricht auch das inszenierte Brahms-Requiem auf der Elbphilharmonie Plaza zu werden, mit dem das Ensemble nun in Hamburg gastiert. 

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