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Porträt Samuel Hasselhorn

Ohne Zukunftsängste

Auch in diesen ungewissen Zeiten lässt sich der dreißigjährige Bariton Samuel Hasselhorn nicht aus der Ruhe bringen und freut sich auf ein neues Kapitel in seiner noch jungen Karriere.

vonRoland H. Dippel,

Selten erhält man von gefragten Sängern freie Zeitwahl für ein Treffen. Noch ungewöhnlicher ist die mit Samuel Hasselhorn vereinbarte Uhrzeit: Schlag neun Uhr morgens. Aber in diesem Winter ticken die Uhren anders, ist doch in diesem Winter ohnehin fast alles anders als sonst. Für den mit Nachdruck aufstrebenden jungen Bariton hätte an einem großen Opernhaus wie der Wiener Staatsoper, deren Ensemble er zwei Jahre lang angehörte, eine Vorstellung nach der nächsten jagen müssen. Doch im zweiten Lockdown gibt es für Sänger, Schauspieler und Musiker nur wenige Termine, auch die Podcasts mit Künstlerpostillen aus dem Homeoffice sind weitestgehend verstummt.

Bühnenauftritte stehen für Samuel Hasselhorn an oberster Stelle

Während des Video-Interviews sieht man Samuel Hasselhorn in seiner Wiener Wohnung beim Morgenkaffee, im Nebenraum spielen die beiden kleinen Kinder. Es wird ein langes und konzentriertes Gespräch. Hasselhorn artikuliert nachdrücklich Bedauern, aber keine Erregung: Unter seinen geplatzten Terminen befinden sich das für ihn so wichtige Rollendebüt als Wolfram in „Tannhäuser“ an der Opéra de Rouen Normandie, außerdem hätte er den Baron Tusenbach in „Tri Sestry“ von Peter Eötvös an der Wiener Staatsoper sowie ein Streaming-Konzert beim SWR geben sollen. Man muss sich damit abfinden, dass bis zum Sommer einiges nicht stattfinden wird. Und es bleibt abzuwarten, was sich von den älteren Projekten unter neuen Vertragsbedingungen noch realisieren lässt: Der Wechsel an ein süddeutsches Opernhaus steht an, wurde aber noch nicht offiziell bekanntgegeben.

Bühnenauftritte stehen in Hasselhorns Terminkalender an oberster Stelle. Dabei hat er sich 2018 den ersten Preis des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs in Belgien mit Liedern und Oratorienarien ersungen. „Natürlich freute ich mich riesig über das Vertrauen der Wiener Intendanz, unter der ich Belcanto-Partien wie in Donizettis ,Liebestrank‘ und sogar den Figaro in ,Der Barbier von Sevilla‘ ausprobieren durfte. Aber die Suche nach dem inneren Gehalt der Partien kommt in der engen Folge von Vorstellungen und Rollendebüts zwangsläufig zu kurz. Zum Beispiel stand ich als Schaunard in ,La Bohème‘ neben Piotr Beczała und Marina Rebeka auf der Bühne. Insgesamt hatten wir Ensemble-Neulinge nur wenige Tage für die Vorbereitung auf die Zeffirelli-Inszenierung, die den anderen bereits vertraut war.“ Über zwanzig mittlere und große Partien hatte Hasselhorn in Wien einstudiert.

Aufschrei gegen Rassismus und Terror

Trotz der Erfolge auf der Opernbühne nimmt das Lied nach wie vor einen wichtigen Platz im Œuvre des Sängers ein. Nach dem Album „Nachtblicke“ mit Werken von Aribert Reimann, Hans Pfitzner und Franz Schubert hatte er sich für die CDs „Dichterliebe“ und „Stille Liebe“ intensiv auf Robert Schumann eingelassen. Unter den jungen Baritonen ist Hasselhorn eine ganz große Hoffnung in der Liedsänger-Generation nach Matthias Goerne, Dietrich Henschel und Roman Trekel. „Als Aufschrei gegen Rassismus und Terror ist das Lied nicht laut und grell genug“, sagt Hasselhorn. Ihn faszinieren aber die feinen Ausdrucksnuancen. Hatte ihn das Elternhaus für das künstlerische Ringen mit musikalischer Seelensprache geprägt? Der Sohn eines Psychologen verneint. Er interessiere sich für das Menschsein zwischen den dualistischen Bedingtheiten von Gut und Böse, Freiheit und Pflicht. Diesen spürt er bei seinen nächsten Lied-Aufnahmen mit Joseph Middleton in Schubert-Liedern unter dem Themenbogen „Glaube, Hoffnung, Liebe“ nach. Anstelle des geplanten Schumann-Programms in Cambridge gibt es nun Liederabende im Brucknerhaus Linz und im Schwarzwald-Hotel Öschberghof mit Helmut Deutsch sowie bei den Dresdner Musikfestspielen mit Doriana Tchakarova.

Bedeutungsvolle Zwischentöne

Immer wieder zeigt sich im Gespräch Hasselhorns klarer und wacher Blick für das Wesentliche. „Würde ich Empfehlungen für künstlerische Karrierestrategien befolgen, wäre in meinem Leben ständig der falsche Zeitpunkt für Kinder. Aber mit ihnen an meiner Seite plane ich viel besser, weil ich wichtige künstlerische und familiäre Aufgaben im Gleichgewicht halten will.“ Dass Samuel Hasselhorn Zukunftsängsten keinen Platz in seinem Leben zugesteht, imponiert. Er ist dankbar für seine temporäre Sicherheit, die viele andere Künstler derzeit nicht haben. Und er nutzt die Freiräume, die sich durch entfallene Auftritte ergeben, für Repertoire-Erkundungen und die Suche nach bedeutungsvollen Zwischentönen. Und zwar nicht nur in der „Winterreise“.

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