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Porträt Philip Glass

Schreckliche Kinder

Philip Glass‘ „Tanzoper“ Les Enfants Terrible an der Hochschule für Musik und Theater

vonAnna Novák,

Als „Tanzoper“ hat der amerikanische Komponist Philip Glass seine Oper Les Enfants Terribles deklariert – ohne darauf auch nur mit einem Wort näher einzugehen. Glass trifft keine Aussagen über Tänzer, gibt keine choreografischen Anweisungen. „Das ist eine große Freiheit, aber auch ein großes Rätsel“, sagt Regisseurin Kerstin Steeb. Als Abschlussinszenierung im Studiengang Musiktheaterregie bringt sie im Dezember Les Enfants Terribles an der Hochschule für Musik und Theater auf die Bühne – und erzählt die Geschichte nach der Novelle des französischen Autors Jean Cocteau mit Sängern, Tänzern und, wie von Glass in der Originalfassung vorgesehen, drei Pianisten. Es ist die Geschichte zweier Geschwister, die in ihrem kindlichen Spiel in eine eigene Welt entfliehen und sich schließlich mit dem Spannungsfeld zwischen Sehnsucht nach Geborgenheit und dem Verlust der Unschuld konfrontiert sehen.

„Die rhythmisch komplexen Sängerpartien hat Glass sehr narrativ dargestellt“, erklärt die Regisseurin, „aber der Tanz ermöglicht es, die Handlung auch noch auf einer anderen Ebene auszudrücken.“ Diese multiperspektivische Annäherung an das heikle Sujet sei auch im Sinne des Komponisten, der hauptsächlich durch seine Filmmusiken bekannt geworden ist. „Es hat Philip Glass sehr interessiert, wie man verschiedene Sparten und Medien auf der Bühne verbinden kann“. So wird Kerstin Steeb auch Film-Elemente integrieren, die von einem Film-Team der Hochschule für Angewandte Wissenschaft stammen. „Glass‘ Musik funktioniert einfach gut zu Bildern.“

Es ist „Glass-typische“ Musik, die den Charakter der Oper bestimmt: sich wiederholende musikalische Muster, Momente der Minimal Music und eine angenehme Durchhörbarkeit, die trotzdem nicht belanglos ist. „Glass verehrte Bach, in seiner Musik finden sich dementsprechend auch klare Bezugspunkte zur ‚klassischen‘ Musik“, meint Kerstin Steeb. „Ich liebe Glass‘ Oper. Les Enfants Terribles ist wie eine reißende Strömung, die einen immer weiter mitzieht.“ Glass habe ein Werk geschaffen, das Cocteaus Symbolik eindrucksvoll aufgreife in fortgesponnenen, sich immer weiter verdichtenden rhythmischen Fragmenten: „Glass nimmt einen Schneeball im Text auf und führt ihn als Lawine der Katastrophe entgegen.“

Es ist eine tödliche Katastrophe, auf die die Protagonisten der Erzählung zusteuern. Die Geschwister Elisabeth und Paul können nicht ohne einander, aber auch nicht miteinander. Die Liebe zwischen Bruder und Schwester – eines der wenigen noch tabuisierten Gesellschaftsthemen – behandeln Cocteau und Glass aber keineswegs plakativ. Vielmehr beschäftigen sie sich mit Individuen, die sich voneinander angezogen fühlen und am Ende ihres kindlichen Spiels an den Beginn eines Lösungsprozesses kommen (müssen). „Die Geschwister sterben am Tabu, ohne es jemals ausgesprochen zu haben“, beschreibt die Regisseurin. „Doch Les Enfant Terribles ist keine Skandaloper.“ Stattdessen lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die in Musik und Tanz wunderbar beschriebene kindliche Welt der Geschwister und den ganz besonderen Blick der beiden auf ihr Leben inmitten der Vertrautheit ihres Zimmers. Kerstin Steeb: „Die Tanzoper ist ein bisschen wie Die fabelhafte Welt der Amelie – nur in depressiv.“

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