Das letzte Konzert und dann ausgerechnet die „Cavatina“ aus Beethovens Streichquartett B-Dur op. 130. Das sei sehr rührend gewesen, sagt Xandi van Dijk und lässt sich in einen der großen Sessel zurückfallen. Es ist ein Freitagnachmittag, Ende Juni. Das Signum Quartett sitzt in einem der Probenräume des Bayer-Erholungshauses in Leverkusen. Die Wände sind mit Schwarzweiß-Fotografien zugepflastert, Porträts berühmter Namen, die allesamt hier schon einmal auf der Bühne standen. Am Abend wird auch das Signum Quartett im Erholungshaus auftreten. Eine Art Heimspiel sei das, sagen die Musiker.
Das Quartett wirkt entspannt. Dabei liegen aufreibende Monate hinter den Musikern. Schon allein optisch kann man die Veränderung ausmachen: Anstatt zweier Frauen und zweier Männer sitzen da nun eine Frau und drei Männer. Das Quartett hat sich verändert: Kerstin Dill, die bisherige erste Geige, ist Mutter geworden und hat die Gruppe verlassen. „Es war ein Abschiednehmen für beide Seiten. Mit allen Emotionen, die da dazugehören“, sagt Annette Walther. Und dann das letzte Konzert in der vertrauten Besetzung und ausgerechnet Beethovens „Cavatina“. Das war nicht nur rührend – sondern womöglich der genau richtige Soundtrack für das Ende dieses Kapitels, „in dem man über die Jahre hinweg zusammengewachsen ist, gemeinsam etwas geschaffen hat und das Gefühl hatte, eine Stimme gefunden zu haben.“
Purer Wahnsinn: ständig mit einer anderen ersten Geige
Die erste Geige ist also weg – und nun? Ein Ersatz muss her. Aber wer? „Uns ging es am Anfang gar nicht darum, jemanden zu finden, der auf Dauer Tine ersetzen wird. Sondern wir haben uns gefragt, mit wem wir die Saison gestalten können“, erklärt Cellist Thomas Schmitz. Statt die Position neu auszuschreiben, hat das Quartett sich Gastmusiker für die einzelnen Konzerte eingeladen. Einerseits ein großer Luxus. „Denn so konnten wir ein Gefühl dafür bekommen, was diese Veränderung mit dem Quartett macht und in welche Richtung wir uns unter Umständen entwickeln, sagt Xandi van Dijk. Andererseits begann damit aber auch der pure Wahnsinn: zum Beispiel vier Konzerte in einer Woche, jeweils das gleiche Programm, aber immer mit einer anderen ersten Geige. In kürzester Zeit wurde geprobt, wurden Striche angepasst und geändert. Es gebe Stellen in den Partituren, die seien mittlerweile komplett durchradiert, sagt van Dijk. Die Herausforderung habe Spaß gemacht – „eine Zeit lang zumindest“, sagt der Bratschist und alle beginnen zu lachen. So als könnten sie selbst nicht glauben, was da in den vergangenen Monaten passiert ist. „Im Quartett spielen alle eine gleich starke Rolle. Trotzdem ist das Gesicht und die Art, Musik zu machen, nochmal sehr abhängig von der ersten Geige. Und das heißt: Es saß jedes Mal plötzlich ein ganz anderes Quartett da“, meint Thomas Schmitz.
„Florian Donderer war für uns alle drei die Nummer eins“
Trennungen sind immer schwer. Besonders dann, wenn man sich menschlich gut verstanden hat. Deshalb war für die drei Musiker klar, mit dem Neuen muss es nicht nur musikalisch passen. Sondern auch menschlich. Der Neue, das ist Florian Donderer. „Bezeichnenderweise war er für uns alle drei die Nummer eins“, erinnert Annette Walther. Man kannte sich bereits von früheren Projekten wie zum Beispiel Joseph Haydns Passionsmusik Die sieben letzten Worte zusammen mit dem Ensemble Ruhr, bei dem Donderer Konzertmeister war.
Donderer, der die gleiche Position im Balthasar-Neumann-Ensemble und seit 1999 bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen innehat, sagt von sich selbst: „Ich hatte nie so recht den Wunsch, in einem Streichquartett zu spielen.“ Allzu einstudiert und zu perfekt wirkten viele feste Besetzungen auf ihn. Dass er sich nun doch auf das Abenteuer einlässt, hat wohl auch ein Stück weit mit seiner Frau zu tun. Als die Frage kam, ob er fest beim Signum Quartett einsteigen wolle, hat seine Frau ihm zugeraten. „Sie meinte, ich käme immer so beseelt von den Konzerten zurück.“ Daneben ist es aber wohl auch der Spannungsbogen, der Donderer reizt. Denn neben dem klassischen Repertoire zeichnet sich das Signum Quartett besonders durch seine Experimentierfreude aus, wie zum Beispiel beim Projekt „Quartweets“. Und durch die Begeisterung für zeitgenössische Werke.