Startseite » Porträts » Auf dem Weg nach vorn

Porträt Stanley Dodds

Auf dem Weg nach vorn

Der Geiger und Dirigent Stanley Dodds schafft einen ungewöhnlichen Spagat

vonArnt Cobbers,

Dass ein Pianist irgendwann zu dirigieren beginnt, scheint normal. Dass ein Orchestersolist ans Dirigentenpult wechselt, kommt auch noch vor. Aber ein Tuttist aus den zweiten Geigen? Das hat Exotenstatus. Der Philharmoniker Stanley Dodds praktiziert diesen Spagat zwischen „kleinem Rädchen“ und großer Verantwortung seit mehreren Jahren – und findet, dass sich beides wunderbar ergänzt. „Ich freue mich einfach, Geige zu spielen. Die Befriedigung, selbst einen Ton zu erzeugen mit all seinen Nuancen, hat ein Dirigent nicht. Selbst im Tutti der Geigen hat man gewisse kreative Freiheiten. Aber natürlich ist es auch eine wunderbare Aufgabe, selbst die Impulse zu geben, das Ganze zu gestalten und sich mit einem Stück intensiv auseinanderzusetzen.“

Mit 17 begann Dodds, als Sohn zweier Mathematiker in Kanada geboren und in Australien aufgewachsen, ein Geigenstudium in Luzern, spielte als Konzertmeister bei den Festival Strings Lucerne und studierte schon nebenbei Dirigieren. 1994 wurde er Mitglied der Berliner Philharmoniker. „Auch wenn man im Studium auf ein Leben als Solist vorbereitet wird – bei einem solchen Orchester überlegt man nicht lange. Und dann beginnt erst einmal eine zehnjährige Lernphase.“ Die war noch nicht ganz um, als sein australischer Ex-Kollege Brett Dean Dodds bat, in einem Jugendlager ein Streichorchester zu leiten. „Ich dachte, die spielen ohne Dirigenten, aber am Vorabend sagte er: Das wird nicht funktionieren, du musst dirigieren.“ Dass Dodds seine Sache gut machte, sprach sich bis nach Berlin herum. Eines Tages sprang er als Dirigent beim Sibelius Orchester ein, 2002 übernahm er die Leitung des Ensembles, 2006 zusätzlich das Sinfonie Orchester Schöneberg. „Es sind Laienorchester, mit denen man mehr proben muss, aber die Konzerte sind oft genauso gut wie bei den Profis.“

Dodds besuchte Kurse beim legendären Jorma Panula und hat inzwischen mehrere Orchester in Australien, Italien und Deutschland dirigiert, ja sogar erste Opernproduktionen geleitet. Letzte Saison debütierte er beim sinfonie orchester berlin, in dieser Saison wird er vier Abokonzerte der Konzertdirektion Hohenfels leiten. „In der voll besetzten Philharmonie als Dirigent aufzutreten, ist natürlich ein Privileg, das macht Spaß.“

Dodds ist mit ganzem Herzen Philharmoniker, sogar im Vorstand der Stiftung. Doch er merkt, dass das Etikett Orchestermusiker nicht hilfreich ist für die Dirigentenkarriere – erstaunlicherweise. Denn aus dem Wissen um die Asymmetrie zwischen Dirigent und Orchestermusiker heraus entwickelt man, so Dodds, besondere Verantwortung und Respekt. „Jeder weiß, dass ein Profiorchester auch so spielen könnte. Als Dirigent muss man sich immer fragen: Wozu ist man da? Was hat man den Musikern anzubieten?“

Sein Blick auf Dirigenten hat sich geändert: „Ich bin weniger hart und polemisch in meinem Urteil und erkenne auch bei schwächeren Dirigenten noch Qualitäten. Wichtig ist: Es gibt keine absolute Rangliste der besten Dirigenten. Wer zu Orchester A nicht passt, kann für Orchester B der perfekte Partner sein. Es kommt darauf an, dass der Dirigent erkennt, was ein Orchester kann und will, und es versteht, dessen Kräfte freizusetzen.“

In einem Punkt aber kann Stanley Dodds nicht aus seiner Haut, wenn er vor einem Orchester steht: „Letzten Endes versuche ich aus jedem Orchester die Berliner Philharmoniker zu entwickeln. Das wird immer das Vorbild bleiben.“ Kein schlechter Maßstab für einen jungen Dirigenten, der vielleicht noch eine große Karriere vor sich hat.

Termine

Auch interessant

Rezensionen

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!