Musiker und Konzertveranstalter – die Berufskombination ist eine Seltenheit, vielleicht auch deshalb, weil das Sprichwort „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ sich über die Jahrhunderte fest in unseren Köpfen verankert hat. Stefan Bevier sieht das anders, und sein Erfolg gibt ihm zweifelsfrei Recht: Der Wahlberliner leitet mehrere Orchester und Chöre, ist Instrumentalist, Sänger, Konzertveranstalter, Lehrer, Förderer junger Talente und hat nebenbei noch eine stattliche Instrumentensammlung aufgebaut.
Die Konsequenzen sind absehbar: 160 000 Meilen im Jahr fliegt er in der Welt umher, zum Beispiel für die wöchentlichen Proben mit dem Londoner Philharmonia Chorus, der mit unterschiedlichen Orchestern zusammenarbeitet, etwa dem Philharmonia Orchestra, der Academy of St Martin in the Fields oder den Symphonikern Hamburg. Es kann aber auch sein, dass der Sänger Bevier gerade unterwegs nach Thailand ist, um dort eine Masterclass in Gesang zu geben. Alle seine Tätigkeiten und Projekte übt er ganz bewusst ohne staatliche oder kommunale Finanzierung aus, da in seinen Augen „die Kultur nicht in staatliche Hände gelegt werden sollte“.
Ein Forum für junge Preisträger
Womit wir auch schon beim privaten Konzertveranstalter Bevier wären. Seit fast drei Jahrzehnten konzipiert und organisiert er Konzerte, wobei er mit Klassik, Jazz, Gospel, Don Kosaken, Tango, Klezmer und Fado alle Musikrichtungen abdeckt – fast alle: Allein mit der Popmusik kann der er nichts anfangen. Doch trotz der Offenheit gegenüber allen Musikrichtungen legt sich Bevier erstaunlich schnell fest, wenn es um die Frage nach seinen Lieblingskomponisten geht. „Bach ist für mich das A und O“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Dazu kommt noch Antonio Vivaldi.
Für die Aufführung von Werken dieser beiden Komponisten hat er zwei Ensembles ins Leben gerufen: das European Vivaldi Consort sowie das European Bach Consort, beides Solistenvereinigungen junger internationaler Preisträger. Überhaupt bietet der Konzertveranstalter jungen Künstlern ein Forum, etwa mit dem Endlos-Zyklus „Chopin Pur“. Der aus Landau an der Pfalz stammende Bevier studierte zunächst Kontrabass in Berlin, wurde 1979 Stipendiat der Herbert-von-Karajan-Stiftung und arbeitete seitdem während der Karajan-Ära als ständige Aushilfe bei den Berliner Philharmonikern, womit übrigens für ihn, der schon immer in diesem Orchester spielen wollte, ein lange gehegter Traum in Erfüllung ging.
Zusammenspiel der musikalischen Disziplinen
Dieser Traum währte nicht lange, denn er verblasste hinter neuen Zielen. Nach seinem Kontrabass-Diplom studierte er Liedinterpretation bei Dietrich Fischer-Dieskau und Aribert Reimann. 1981 begann er zudem eine Ausbildung als Dirigent bei Sergiu Celibidache. Damit hat er auf unterschiedliche Weise zwei fast schon gegensätzliche künstlerische Konzepte aus nächster Nähe erfahren: als Schüler jenes Dirigenten, der berühmt war für seinen unbedingten Kontrollwillen, sowie als Orchestermitglied unter Karajan, der Freiheiten explizit zuließ, sie sogar von den Musikern einforderte. Doch große Namen als Lehrmeister sind das eine, die Entwicklung zur unabhängigen Künstlerpersönlichkeit das andere.
Bei Bevier ist das besondere Profil seine vielseitige Ausbildung: Als Instrumentalist kennt er die Anforderungen und Befindlichkeiten eines Orchestermusikers, und auch sein Gesangsstudium kommt ihm nicht nur als Chorleiter zugute: „Wenn man das Sängerische kennt, fließt der Atem auch beim Instrumentalklang.“ Um den Instrumentalklang nach seinen Vorstellungen zu optimieren, besucht der Dirigent Auktionen, um dort seine Sammlung alter italienischer Streichinstrumente zu vergrößern. Über dreißig Instrumente sind inzwischen in seinem Besitz bzw. in den Händen der Musiker in seinen Orchestern. Doch die Instrumente sind sicher nicht der wichtigste Teil seiner Förderung. Vielmehr sind es seine Erfahrungen, die er an die jungen Musiker weiterzugeben vermag – sei es als Musiker oder als Veranstalter.