Es ist schon spät am Abend, als Tine Thing Helseth auf ihre Webseite schreibt: „Mir fallen die Augen zu … tzzz … morgen geht es nach Berlin.“ Wenige Stunden später sitzt die Trompeterin bereits in der Garderobe des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt, gibt in einer Probenpause munter Interviews, der kleine Reisekoffer lehnt an der Wand.
Helseth ist gefragt und viel unterwegs, ihrem letzten Album hat das Label nur noch den Titel „Tine“ verpasst, und nicht nur in ihrer Heimat stößt sie mit ihren Konzerten auf großes Interesse. Manch einer mag den Grund für diese enorme Resonanz in der modellhaften Schönheit der Norwegerin suchen, doch scheint es noch mehr damit zusammenzuhängen, dass Helseth eine neue, junge Generation von Musikern vertritt, die mit Tradition, Repertoire und Publikum deutlich unbefangener umgeht – ihre offene Kommunikation im Internet ist da nur ein Beispiel.
Als Siebenjährige griff sie erstmals zur Trompete
Mit zehn stand sie als Solistin vor ihrem Schul- und mit 15 vor einem Sinfonieorchester. „Ich wollte immer Trompeten-Solistin werden, ich wusste nur nicht, was ich dafür alles tun müsste. Es war natürlich ein ganzes Stück Arbeit“, erzählt sie durchaus selbstbewusst. Ihre Mutter ist ebenfalls Trompeterin, doch sei ihr Weg zur Klassik keinesfalls selbstverständlich gewesen. „Ich komme nicht aus einer rein klassischen Familie, wir haben zuhause jede Art von Musik gehört.“
Schon als Teenagerin spielte sie in Blechbläserensembles Popmusik, heute widmet sie sich in dem von ihr gegründeten „tenThing Brassensemble“ unkonventionellen Klassik-Arrangements – und erzählt im Interview von ihrem jüngsten Projekt: „Ich habe mit Freunden eine Band aus Schlagzeug, Klavier, Gitarre, Bass und Trompete gegründet.Wir haben mit Tangos und Musik von Kurt Weill angefangen, und im Moment spielen wir Bach-Inventionen, mit E-Gitarre. Das klingt wie klassisch inspirierter Progressive Rock.“
Schon 2010 hatte sie einen Abstecher in die Popwelt unternommen, als die blonde Bläserin mit dem Sänger Didrik Solli-Tangen, der Norwegen beim Eurovision Song Contest vertrat, den Titel „Best Kept Secret“ einspielte. „Ich fand es eine gute Idee, den jungen Hörern zu zeigen, dass du Trompete auch in einem Popsong spielen kannst. Musik ist Musik, egal ob Klassik oder Pop – wir können von allem etwas lernen. Wenn jemand einen Rocksong schreibt, den die Leute auch nach 50 Jahren noch singen oder vor sich hin summen, beeindruckt mich das genauso wie eine Sinfonie.“
Moderne Ladybrasspower
Für den MDR Musiksommer verspricht die Solistin mit ihrem rein weiblichen Bläserensemble nun „Ladybrasspower“: ein Programm mit Klassik-Hits von Bizet, Piazzolla oder Weill, das auch das junge Publikum ansprechen soll. Für Helseth ein wichtiges Anliegen: In ihrer Heimat hat sie sich bereits mit einer Stiftung für mehr Medienpräsenz von klassischer Musik stark gemacht und sucht das Gespräch mit Rundfunkredakteuren, damit junge Radiohörer häufiger mit Klassik in Berührung kommen. „Ich würde mich freuen, wenn man Klassik auch ab und zu im ‚normalen’ Radio spielen würde. Erst Rihanna und danach Mozart, das wäre toll! Kinder sind sehr offen, für alles in der Welt – das muss man nutzen und ihnen auch alles zeigen.“