Schon dem Aussehen nach ist er ein idealer Nachwuchskünstler des Jahres. Wenn Vasily Petrenko eine Bühne betritt, kann man den 36-Jährigen leicht für einen besonders jugendlich wirkenden Twen halten. Dynamisch, voller Elan und Energie begegnet er Orchester und Publikum, Freude an der Arbeit, so sagt er, ist sein Schlüssel zum Erfolg. Doch gleichzeitig schaut der 1976 in St. Petersburg geborene „Nachwuchskünstler“ bereits auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. Als das britische Fachmagazin Gramophone ihn vor fünf Jahren zum Nachwuchskünstler des Jahres kürte, hatte er bereits einen kometenhaften Aufstieg hinter sich, mit Stationen in St. Petersburg und beim Royal Liverpool Philharmonic Orchestra. Inzwischen durfte er bei den Proms dirigieren, gastierte beim San Francisco Symphony Orchestra ebenso wie beim London Philharmonic oder dem Orchestre National de France. Selbstzufrieden ist er dabei aber nicht geworden: Nur in einem von 1000 Konzerten sei er zufrieden mit der eigenen Leistung. Mit seinem ebenso erfolgreichen Namensvetter Kirill Petrenko ist er übrigens nicht verwandt – nur der außergewöhnlicher Erfolg und die rasche Karriere sind den beiden gemeinsam.
Begonnen hatte Vasily Petrenko als Wunderkind: Mit sieben Jahren kam er an die St. Petersburger Capella-Musikschule für Jungen – die älteste Musikschule Russlands. Er war einer von 25 Glücklichen, die aus 450 Bewerbern ausgewählt wurde für eine Einrichtung, in der man Disziplin und den Wettbewerb auszuhalten lernt. Dort war, wie Petrenko sagt, der zweite bereits ein Verlierer. Zu denen er freilich nicht gehörte; Petrenko schaffte aufs St. Petersburger Konservatorium, lernte bei Größen wie Mariss Jansons, Yuri Temirkanov und Esa-Pekka Salonen und wurde bereits mit 18 Jahren Resident Conductor am heimatlichen Mikhailovsky Theatre, das damals noch Mussorgsky Memorial Theatre hieß.
Aus dem schwierigen russischen Musikleben – hier musste er sogar Rechenschaft ablegen, warum ein Budget für Geigen-Saiten erforderlich sei, die sollten gefälligst sorgsamer mit ihrem Material umgehen – kam er 2006 zum RLPO, dem 1840 gegründeten ältesten britischen Symphonieorchester. Dass das heute ein bisschen im Schatten der bekannteren Klangkörper auf der Insel steht, möchte der russsische Dirigent gern ändern, er hat die Absicht, sein Ensemble unter die Topensembles der Welt führen. Dabei ist er auf einem guten Weg: Nicht nur das Publikum strömt ihm in Scharen zu, auch die Kritiker sind ihm sehr zugetan, und einige Preise konnte man auch schon einheimsen. Mit seinem exakten Dirigierstil überzeugt er ebenso wie mit genauester Detailkenntnis der Werke, an die er seine Körpersprache jeweils anpasst. Nach einem halben Jahr verlängerte man seinen Vertrag bis in dieses Jahr – inzwischen hat man ihn bis 2015 gebunden. Gut so, denn wer ihn jetzt noch engagieren will, muss sich beeilen. 2013/2014 wird er den Posten des Chefdirigenten beim Oslo Philharmonic Orchestra übernehmen, Principal Guest Conductor am heimatlichen Mikhailovsky Theatre ist er ebenfalls schon. Und auch zum National Youth Orchestra of Great Britain, das er seit 2009 leitet, passte er vom ersten Tag perfekt. Nur beim zum jugendlichen Image passenden Bloggen auf der eigenen Website muss er seinen vielen Engagements Tribut zollen: Sein letzter Eintrag von Ostern 2011. Doch wer weiß, welch neuen Coup er auch hier bald wieder vermelden kann.