Die CD-Labels stöhnen, viele kämpfen ums Überleben, einige haben schon vor den ewigen Jagdgründen der Online-Streaming-Dienste kapituliert. Einer jedoch verkündet siegessicher, er glaube an die CD und ihr Weiterleben. Sein Name: Manfred Eicher. Vor 50 Jahren gründete der in Lindau geborene Kontrabassist, der zunächst bei den Berliner Philharmonikern den Bogen führte und dann in die Szene der Jazz-Avantgarde abtauchte, das Münchner Schallplattenlabel ECM. Zusammen mit dem Diskografen Manfred Scheffner und dem Kaufmann Karl Egger wollte der damals 26-jährige Eicher vor allem eines: ein Klangbild für Jazzaufnahmen entwickeln, das in Transparenz, Farbigkeit und dynamischer Differenzierung den Aufnahmen klassischer Kammermusik entsprach. Pianisten wie Mal Waldron, Paul Bley und Wolfgang Dauner gehörten zu den Allerersten, die mit ihrer Abkehr vom Mainstream-Jazz ein Zuhause bei ECM fanden, einem Label, das sich bis heute seine Sensibilität für Klänge bewahrt hat, die abseits des Gewohnten und Gewöhnlichen liegen.
Den großen Durchbruch erzielte Eicher 1975 mit der Aufnahme von Keith Jarretts legendärem Album „The Köln Concert“. Die erfolgreichste Klaviersolo-Platte aller Zeiten sicherte dem Unternehmen das finanzielle Fundament, auf dem sich seither die Crème de la Crème des Jazzpianos entfaltet. Große Namen sind dabei wie Chick Corea, Julia Hülsmann oder Nik Bärtsch. Aber auch auf der Jagd nach Neuentdeckungen darf man vertrauensvoll im Katalog des einflussreichsten unabhängigen Jazzlabels blättern, der weit über 1.200, größtenteils noch lieferbare Aufnahmen umfasst.
EMC: Label mit hohem Wiedererkennungswert
Zu den Galionsfiguren wie Pat Metheny, John Abercrombie oder Jack DeJohnette zählt auch Tenorsaxofonist Jan Garbarek, der bereits 1970 sein Label-Debüt gab. Über die Jahrzehnte zunehmend dem asketischen Schönklang verpflichtet, ist der Norweger mitverantwortlich für das Gerücht, es gäbe so etwas wie den „ECM Sound“ – eine Art meditative Jazz- und Kunstmusik, die in der harmonischen Reibung mehr den Schwebezustand als die Dissonanz sucht. Hier reiht sich ein weiteres Zugpferd des Labels nahtlos ein: Arvo Pärt. 1984 begründet eine Aufnahme mit dem hypnotischen Doppelkonzert „Tabula Rasa“ die „ECM New Series“ – und den weltweiten Erfolg des estnischen Komponisten: Die komponierte Kunstmusik wird zum zweiten Standbein eines Labels, das sich mit seiner Namensgebung „Edition of Contemporary Music“ schon von Beginn an nicht in enge Genreschubladen pressen lassen wollte.
Trotz einer enormen künstlerischen Vielfalt, die sich auch in Kollaborationen mit der bildenden Kunst, der Literatur, dem Theater und dem Kino widerspiegelt, hat das Label einen hohen Wiedererkennungswert. Das liegt zum einen an der einheitlichen Covergestaltung mit ihren motivisch ebenso eigenständigen wie melancholischen Schwarzweißfotografien, zum anderen an dem hellhörigen Produzenten, dessen enge – auch künstlerische – Zusammenarbeit mit den Musikern sich in einer exzellenten Tonaufnahmequalität manifestiert. Zum 50. Geburtstag des Labels kuratiert Manfred Eicher im Rahmen der „Reflektor“-Reihe der Elbphilharmonie acht Veranstaltungen mit ECM-Künstlern, zwei Filmvorführungen und eine „Listening Session“ mit dem Meister höchstpersönlich.