Auf den ersten Blick sieht das Casals Forum trotz bevorstehender Eröffnung noch nach einer großen Baustelle aus. Die am Mittag des Galakonzerts am vergangenen Freitag geladenen Journalisten laufen vorbei an Bauzäunen und Containern, treten über freiliegende Kabel und klopfen sich den Staub von den Hosen. Davon lassen sich die Gastgeber der Kronberg Academy nicht entmutigen, denn das Wichtigste ist rechtzeitig fertig geworden: der neue Kammermusiksaal. Während der Pressekonferenz kann man dort schon Gidon Kremer und András Schiff mit dem Chamber Orchestra of Europe bei der Generalprobe beobachten. Dementsprechend ausgelassen ist die Stimmung bei Raimund Trenkler, Gründer und Intendant der Kronberg Academy. „Wir haben vor genau zwei Jahren entschieden, das Casals Forum am 23. September 2022 zu eröffnen. Da haben viele die Köpfe geschüttelt“, erzählt er lachend. Dass es dennoch geklappt habe, sei dem enormen Gemeinschaftswerk von Mitarbeitern und Künstlern zu verdanken, unterstützt von privaten Förderern sowie von Bund, Land und dem Hochtaunuskreis. „Eine Vision wird Wirklichkeit, wir haben ein neues Zuhause für die Musik! Es ist ein besonderer Moment für alle, die dieses Projekt über viele Jahre begleitet und unterstützt haben.“
Zehn Jahre nach der ersten Idee und fünf nach der Grundsteinlegung kann im Casals Forum nun endlich musiziert werden. Das liegt auch der engen Zusammenarbeit des Architekten Volker Staab mit dem Bauherren Raimund Trenkler und dem Akustiker Martijn Vercammen. Nach dem ersten Schreck bei seinem ersten Besuch in Kronberg, als Staab die zerfallende Parkpalette gesehen hat, habe ihn das Großprojekt aus Konzertsaal, Studienakademie und der Topografie mit seinen Plätzen und Wegen doch sehr gereizt. Trotz der zahlreichen Angaben von Vercammen sei es doch eine sehr angenehme und fruchtbare Zusammenarbeit gewesen. „Denn wo es Reibung gibt, entsteht auch Energie“, schmunzelt Staab. Auch der Akustiker findet positive Worte: „Volker Staab hat unsere Ideen genommen und sehr gut umgesetzt.“ Für ihn sei es vor allem eine Herausforderung gewesen, einen Saal zu konzipieren, der sowohl bei Solisten als auch Kammerorchestern gut klinge. „Orchester brauchen Volumen, Solisten Reflexionsfläche. In diesem Saal haben wir das mit viel Parkett für die Reflexion und einer großen Raumhöhe für das Volumen kombiniert“, erklärt er.
Casals Forum eröffnet mit Kronberg Festival
Davon überzeugen können sich die Beteiligten des Projekts und erste geladene Gäste wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn beim feierlichen Galakonzert und Auftakt des mehrtägigen Kronberg Festivals am 23. September. Dafür sind Größen wie Gidon Kremer, András Schiff, Steven Isserlis und das Chamber Orchestra of Europe angereist und stehen gemeinsam mit Alumni der Akademie auf der Bühne. Bis zum 3. Oktober werden auch Tabea Zimmermann, Mischa Maisky, Anna Prohaska, Fazıl Say und das hr-Sinfonieorchester erwartet.
Namensgeber des neuen Kammermusiksaals ist Pablo Casals, dessen musikalisches und humanistisches Erbe Inspirationsquelle für die Gründung der Kronberg Academy 1993 war. „Er war nicht nur eine unglaubliche Künstlerpersönlichkeit, sondern auch ein Kämpfer für den Frieden“, sagt Trenkler. Immer habe der Cellist die Musik in den Dienst der Menschen gestellt. „Sein Vermächtnis ist das Leitbild, an dem wir uns orientieren.“ Pünktlich zum dreißigjährigen Bestehen der Akademie und Casals’ 50. Todestag im nächsten Jahr ist das Casals Forum nun fertiggestellt worden. Es bietet Platz für 550 Zuhörer und ist dank seines innovativen Konzepts einer der ersten CO2-neutral betriebenen Konzertsäle der Welt. Seine offene Glasfassade bietet Blick in den direkt angrenzenden Viktoriapark.
Nicht alles dreht sich um den Konzertsaal
Dennoch drehe sich an der Kronberg Academy nicht alles um den Saal, betont Trenkler. Einen durchgängigen Konzertbetrieb solle es auch nicht geben. Der moderne Gebäudekomplex umfasst noch ein Studien- und Verwaltungszentrum am öffentlich zugänglichen Beethovenplatz sowie ein Hotel. Herzstück des Studienzentrums ist der Carl Bechstein Saal, der 132 Besuchern Platz bietet und als Konzert-, Vortrags- und Prüfungssaal genutzt wird. Bis zu 35 Nachwuchskünstler können an der Kronberg Academy in den Fächern Violine, Bratsche, Cello und Klavier-Kammermusik ausgebildet werden. „Zusätzlich werden die Studierenden ein- bis zweimal monatlich in internen Masterclasses von Gastdozenten und international bekannten Künstlerpersönlichkeiten unterrichtet“, erklärt Trenkler. Für diese unermüdliche Arbeit und Förderung ist die Kronberg Academy erst in diesem Monat mit dem Nachwuchspreis des japanischen Praemium Imperiale ausgezeichnet worden.
„Musik – diese wundervolle Weltsprache, die von allen Menschen verstanden wird, sollte auch eine Quelle besserer Verständigung zwischen den Menschen sein“, sagte Casals 1958 in einer Ansprache zum Jahrestag der Vereinten Nationen. Ein Credo, mit dem auch die Kronberg Academy Menschen in ihrem neuen Kammermusiksaal zusammenbringen möchte.