Ironischer Kontrapunkt zur zeitweisen Nichtexistenz eines Konzertlebens der letzten beiden Jahre ist die regelrechte Flut an neuartigen, kreativen CD-Produktionen, die in der Coronazeit entstanden. Auch Benedict Kloeckner musste sich von einem Tag auf den anderen damit abfinden, seine Abende nicht mehr gemeinsam mit Hundertschaften von Zuhörern in einem Saal zu verbringen. In dieser ungewollten Einsamkeit auf Bachs Suiten für Violoncello solo zurückzugreifen lag da zunächst einmal nahe, gerade jetzt, da man endlich auch die nötige Zeit hat, um in das von Cellisten ehrfurchtsvoll als „Altes Testament“ betitelte Werk einzutauchen. Doch um der drei Jahrhunderte alten Komposition den Zeitgeist der heutigen zwanziger Jahre einzuhauchen bedarf es mehr als des einnehmenden, erzählerischen Duktus, der Kloeckners Spiel der Suiten zugrunde liegt. Den Part der Gegenwart steuerten sechs Komponistinnen und Komponisten aus sechs Kontinenten bei, die sich für die Auftragswerke von den Cello-Suiten inspirieren lassen und gleichzeitig die damalige Lockdown-Situation reflektieren sollten. Mal sprühen diese Kompositionen vor trotziger Tanzwut (Bongani Ndodana-Breens „Soweto Cello Riffs“), mal verströmen sie tiefste Depression (Elena Kats-Chernins „I am Cello“), mal sind sie düstere, deklamierende Meditationen (Geoffrey Gordons „Nes qu’on porroit“). Eingebettet sind diese Werke zwischen den einzelnen Suiten, für sich allein stehend, gegenwärtig – und doch in tiefer Verbundenheit zu Bach stehend.
J. S. Bach: Cello-Suiten BWV 1007–1012 & Werke von Elizondo, Kats-Chernin, Ndodana-Breen, Tanguy u. a.
Benedict Kloeckner (Violoncello)
Brilliant