Ein Philosoph ist er in jüngeren Jahren nicht gewesen. Die Berliner Nachkriegs-Aufnahmen, größtenteils mit den Philharmonikern und dem Rundfunk-Sinfonieorchester, belegen das bekannte Bild: Celibidache als Ekstatiker, als Magier des Klangs, dem der Effekt oft wichtiger war als die geistige Durchdringung einer Partitur. Doch sind seine Schwächen meist interessanter als die Stärken mancher Pultstars von heute. Der junge Rumäne präsentierte ab 1945 mit unglaublichem Einfühlungsvermögen und (angeblich schon in der ersten Probe) auswendig dirigierend viele Komponisten der Feind-Allianz, also Russen, Amerikaner, Briten und Franzosen, aber auch den im Nazi-Reich untergetauchten Günter Raphael mit seiner lebenstrunkenen, amazonisch schillernden und dabei kontrapunktisch genialen 4. Sinfonie von 1947. Rubati wie in den fesselnden Tschaikowsky-Einspielungen (2. Sinfonie, Ouvertüre Romeo und Julia) sind übrigens selten; nach Bizets C-Dur-Sinfonie könnte man das Metronom eichen, und die Vierte von Brahms ist ideal abgefedert im Tempo, lässt alle Schönheiten wunderbar atmen, ohne den musikalischen Fluss zu unterbrechen. Beethovens Siebte verwandelt Celibidache in eine Apotheose des Stampfens und Brüllens, auch im elementar überschäumenden La mer flippt er einmal total aus. Langweilig ist das jedenfalls nie. Mendelssohns Italienischer fehlt es freilich ein wenig an Leichtfüßigkeit, Rimsky-Korsakoffs Overtüre Russische Ostern fehlen die Glocken – die waren längst eingeschmolzen für den Endsieg.
CD-Rezension Sergiu Celibidache
Celi con brio
Die CD-Box „Berliner Aufnahmen 1945-1957“ präsentiert Celibidaches Schaffen während seiner frühen Berliner Jahre. Die Aufnahmen, darunter viele Erstveröffentlichungen, bilden damit ein Kompendium klingender Musik- und Nachkriegsgeschichte
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