Dort, wo Richard Strauss mit „Salome“ und „Elektra“ aufhörte, fing Alexander Zemlinsky erst richtig an: Seine Oper „Eine florentinische Tragödie“ entfesselt grell-nervöse Musik, Vibrieren, Gleißen. Klangentwicklungen dienen hier gleichermaßen als exakter psychologischer Seismograph wie auch zur sensiblen Stimmungsschilderung. Die Dreiecksgeschichte aus der italienischen Renaissance nach Oscar Wildes Vorlage, die mit einem Mord aus Eifersucht endet, wird von den drei Interpreten Heidi Brunner, Wolfgang Koch und Charles Reid wandlungsfähig, schlank, mit Feinzeichnung der Personen und mit dramatischer Wucht überzeugend nahegebracht. Das ORF-Radio-Symphonieorchester Wien unter Bertrand de Billy schafft diese plastische Gestaltung dagegen nicht: Merkwürdig auseinandergesplittert wirkt das Klangbild, zuweilen stumpf. Die Schärfen und Pointen der flirrenden, blitzenden, nuancenreichen Partitur Zemlinskys werden ausgebremst. Was war da los?
Zemlinsky: Eine florentinische Tragödie op. 16
Heidi Brunner (Bianca), Wolfgang Koch (Simone), Charles Reid (Guido Bardi), ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Bertrand de Billy (Leitung)
Capriccio