In Sachen Klassikvermittlung für Kinder und Jugendliche kommt man an Leonard Bernstein nicht vorbei. Zu groß sind die Erfolge, die er vor Jahrzehnten mit seinen „Young People’s Concerts“ hatte. In den Vereinigten Staaten interessierten sich plötzlich auch bildungsferne Familien für klassische Musik und schalteten gemeinsam den Fernseher an. Klassische Musik wurde nahbar – vor allem für sozial schwächere Menschen, die zuvor keinen Bezug zu Mozart, Beethoven und Co. hatten, einfach weil sie in ihrem Arbeiteralltag nicht vorkamen.
Dass man Kinde rund Jugendliche auch heute noch für klassische Musik interessieren, wenn nicht gar begeistern kann, das wollte Musikpädagoge Tobias Emanuel Mayer mit seiner „Der Bernstein-Effekt“ betitelten Studie untersuchen, die sich auf die Vermittlung durch Bernstein bezieht. Seine Ergebnisse liegen nun in dem gleichnamigen Buch vor.
„Rhapsody in School“ als Studiengrundlage
Mayer konzentrierte sich bei seinen Untersuchungen vor allem auf das Projekt „Rhapsody in School“, für das Klassikstars Brennpunktschulen in ganz Deutschland besuchen, um den Jugendlichen nicht nur eine Alternative zu Rap und Techno aufzuzeigen, sondern auch um zu beweisen, dass klassische Musik berühren kann – wenn man denn bereit ist, sich auf sie einzulassen. Mayer organisierte für den Cellisten Daniel Müller-Schott, die beiden Pianisten Evgenia Rubinova und Martin Stadtfeld sowie für die Geigerin Arabella Steinbacher Schulbesuche – und begleitete sie mit seiner Studie. Die Schüler der verschiedenen Einrichtungen wurden dafür jeweils ein paar Tage vor sowie einen Tag bzw. ein halbes Jahr nach dem Musikvermittlungsbesuch befragt: Wie gefallen die Hörbeispiele? Wie „cool“ ist der Klassikstar? Würde man selbst ein klassisches Konzert besuchen oder gar ein Instrument lernen wollen?
Klassikhörer von morgen?
Man kann sich denken, dass die Auswertungen der Fragebögen vor dem Besuch einigermaßen erschütternd ist. Wer kaum oder gar keine Berührung mit klassischer Musik hat, ist mit vielen Vorurteilen und Klischees belastet. Dementsprechend stark war auch die Abwehrhaltung der Schüler. Was sich nach der Stunde mit dem jeweiligen Klassikstar aber tatsächlich änderte. Denn plötzlich stand und saß da ein Mensch aus Fleisch und Blut vor den Jugendlichen, der ihnen hautnah eine vollkommen andere Welt näher brachte.
Wobei dann natürlich die Frage im Raum steht, ob ein einmaliger Besuch eines Musikers reicht, um Schüler dauerhaft für klassische Musik zu interessieren. Auch auf diese Problematik geht Tobias Emanuel Mayer in seinem „Bernstein-Effekt“ fundiert und vor allem wissenschaftlich ein – fernab von emotionalen Zwischentönen. Aber genau das macht diese Studie und damit auch dieses Buch so relevant: fernab von gefühlten Wahrheiten und sämtlichen Klischees betrachtet Mayer den realen Ist-Zustand bei klassikfernen Schülern und zeigt zugleich Wege auf, wie man eben solche Jugendliche für klassische Musik interessieren kann.
Der Bernstein-Effekt – Klassikstars als Musikvermittler für Jugendliche
Tobias Emanuel Mayer
256 Seiten
Schott Music