Schöner Buchtitel: „Schleichwege zur Klassik“. Schleichwege nimmt man ja gerne. Sie versprechen Zugang ohne große Umstände, womöglich Abenteuer. Gabriel Yoran versucht, ungewöhnliche und neue Einblicke zu gewähren. So helfe laut Yoran zum Beispiel schon eine bildliche Vorstellung, um Zugang zu einem Stück zu erhalten: „Zögern und Verführen“ bei Schubert, „eine schwierige Aufgabe meistern“ bei Bach. Auch die Einsichten über die strukturelle Benachteiligung von Frauen oder über die Sonatenhauptsatzform am Beispiel von Beethovens Fünfter sind erhellend. Anderes ist weniger überzeugend: Etwa dass Hindemith schon Heavy Metal komponiert habe. Oder dass Schönbergs Zwölftonmusik die Vorläuferin von Synthiepop sei.
Eher nerdy wird es beim Kapitel über die Instrumentenkunde der Harfe. Manche Beobachtungen wiederum bleiben zu allgemein und oberflächlich. Dass Bach schon Sampling-Technik benutzt hat, wäre mit konkreten Beispielen anschaulicher. Die Erklärung von Mikrointervallen als „Töne zwischen den Tönen“ hilft auch nicht weiter. Ebensowenig das Klischee, Klassik habe immer etwas „Erhabenes“. Was ist etwa mit Humor bei Haydn und Mozart? Die vielen QR-Codes im Buch sind ein Gewinn, weil sie viele Entdeckungen bieten, so den Beethoven-Zeitgenossen Johann Baptist Cramer. Oft werden konkrete Erklärungen aber auch an Videos delegiert, wo eine knackige Definition im Text hilfreich gewesen wäre. Insofern: eher ungewöhnliches Nachschlagewerk als packendes Leseabenteuer.

Schleichwege zur Klassik – Musik aus fünf Jahrhunderten neu entdecken
Gabriel Yoran
Insel, 142 Seiten
20 Euro