Menschen, deren Fähigkeiten die eigenen um einen unermesslichen Faktor übersteigen, faszinieren. Die Beschäftigung mit ihnen kann Neugierde und Wissensdrang wecken, aber auch zur Reflexion anhalten. Ein solch phänomenal begabter Mensch ist der Pianist und Forscher Kit Armstrong. Ein Interview mit ihm versetzte die Journalistin Inge Kloepfer in nachhaltiges Staunen, der Wunsch, ein Porträt zu schreiben, war die Folge. Über einen Zeitraum von vier Jahren haben sich beide zu langen Gesprächen über Armstrongs große Passionen – Musik und Naturwissenschaften –, sein Leben und seine Wahrnehmung der Welt getroffen. Die Autorin hat ihn zu Proben und Auftritten begleitet, zu Hause in Wien und in Frankreich besucht.
Entstanden ist dabei eine in der Ich-Perspektive geschriebene, sprachlich kurzweilige und ehrliche Entdeckungsreise. Eingeflochtene Exkurse mit Experten wie dem Neurowissenschaftler Wolf Singer zu Fragen nach Gedächtnisleistung und Abstraktionsvermögen – beide sind bei Armstrong höchst ausgeprägt, wie Kloepfer ereignisreich beschreibt – bescheren zusätzliche Erkenntnisse.
Biografie und Streifzug durch die Musikgeschichte
In elf Kapiteln erhält der Leser Einblick in die außergewöhnliche Kindheit des heute 32-Jährigen und seine Lehrzeit bei Alfred Brendel und Benjamin Kaplan, in seine Vorstellungen von Musik und Ästhetik, seine Herangehensweise an eine Interpretation und sein bisher nur kaum beleuchteter Weg zur Orgel als weiteres Instrument. Nebenbei ist das Porträt auch ein anekdoten-, kenntnis- und lehrreicher Streifzug durch die Musikgeschichte, wobei Byrd, Bach, Mozart und Liszt großen Raum einnehmen. Kurze Wortlautinterviews dienen als Überleitungen. Abschließend nähert sich die Autorin dem Wissenschaftler Kit Armstrong, der in Taiwan eine Forschungsgruppe im Bereich Musik und künstliche Intelligenz leitet, doch das böte Stoff für ein weiteres Buch. Am Ende eint Autorin und Leser das Staunen.