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Rezension Carlo Vistoli – Amor tiranno

Durchgeistigte Reinheit

Der italienische Countertenor Carlo Vistoli singt ohne Kehlkopf-Protzerei und schafft mit der Auswahl von Stücken des 17. Jahrhunderts ein kantables Gesamtwerk auf höchstem Niveau.

vonRoland H. Dippel,

War es Zufall, dass die junge Kunstform Oper ihre erste Blütezeit erlebte, als sich die Idee des arkadischen Liebesideals in eine bizarre Topografie von Täuschungen und Enttäuschungen zerklüftete? Carlo Vistoli ist kein Kuschel-Belcantist, und heroische Kehlkopf-Protzerei scheint ihm als Waffe gegen die tyrannische Liebe unangemessen. Der italienische Countertenor singt ohne Appelle an das Mitleid der Hörer. Die Auswahl von Stücken aus venezianischen Bühnenwerken, Madrigalen und instrumentalen Intermezzi des 17. Jahrhunderts wird zur kantablen Rezitation auf hohem Niveau, in der das ganze Diadem mehr wert ist als einzeln gefasste Glanzpunkte. Durchgeistigte Reinheit und gestochen klare Läufe zeichnen die fast analytische Haltung des Sängers aus. Sezione Aurea („Der Goldene Schnitt“) bleibt seinem Namen auch darin treu, dass das Ensemble sich hier auf einen fast staubtrockenen Klang einschwört.

Amor tiranno
Cavalli: Arien aus Gli amori di Apollo e Dafne, Erismena & La Didone
Merula: Sonata cromatica
Ferrari: Amanti, io vi so dire
Laurenzi; Chi puo miriar costei e poi non dire
Sacrati: Se ad un altri si sposa aus „La finta pazza“
Ceresini: Tornate, o cari baci
Monteverdi: Arien aus „L’incoronazione di Poppea“, Ohimè, ch’io cado, ohimè & Si dolce è’l tormento

Carlo Vistoli (Countertenor), Sezione Aurea, Filippo Pantieri (Konzertmeister)
Arcana

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