Mit ihrer am 2019 in der Carnegie Hall eingespielten „Winterreise“ behaupten sie sich neben der Konkurrenz-Masse erstaunlich gut. Yannick Nézet-Séguin gestaltet mit balladenhafter Eindrücklichkeit und bewegtem Sog. Er und Joyce DiDonato liefern weder einen mikroskopischen Scan des Notentextes noch eine individualitätssüchtige Deutung. DiDonato befindet sich am idealen Mittelpunkt von Technik, Perfektion und Ausdruck. Ihre „Winterreise“ gehört zu den am besten gesungenen des Katalogs, auch wenn sie bei der genauen Diktion von Wilhelm Müllers Versen im zweiten Drittel etwas ermüdet. DiDonato stellt sich den Zyklus als Aufzeichnungen des Wanderers vor, aus denen sie liest: Eine gute Perspektive für tiefe Emphase, die nicht aufs Glatteis eines üppigen Seelenstriptease führt. Dass Schuberts Lieder vokale Edelsteine auf Anspruchshöhe des Belcanto sein können, nimmt man so sehr gern zur Kenntnis.
Schubert: Winterreise
Joyce DiDonato (Sopran), Yannick Nézet-Séguin (Klavier)
Warner