Diese während Corona entstandene „Traviata“, bei der wirklich keine Note fehlt, glänzt durch pedantische Sorgfalt. Lisette Oropesa modelliert die legendäre Titelpartie mit sauberster Intonation, sie ist im Klang weitaus intensiver und berührender denn als Figur. Um dieses edle Vokalporträt der an Schwindsucht sterbenden Edelkurtisane gibt es unter Daniel Oren kaum Kontraste. Man hört nicht, dass sich in Verdis pikante Pariser Großstadtklänge von 1853 Störfaktoren einschleichen müssten – durch extreme Gefühle oder durch eine lust- und liebesfeindliche bürgerliche Moral. Gegen Ende bremst Oren die Dresdner Philharmonie undramatisch ab, ohne ihr wirklich etwas wie Italianità oder wenigstens eine individuelle Annäherung vermittelt zu haben. So hört man auch von dem schönstimmigen René Barbera als Alfredo und Lester Lynch als Vater Germont nur wenig von der schicksalhaften Dimension dieser Oper.
Verdi: La traviata
Lisette Oropesa (Violeta), René Barbera (Alfredo), Lester Lynch (Germont), Dresdner Philharmonie, Daniel Oren (Leitung)
Pentatone