Heute unfassbar: Lange galt für Frauen die Violine als unschicklich. Der kraftvolle Umgang mit dem Geigenbogen und die zackigen Bewegungen verunsicherten die Herren. Eine Ausnahme: die Musikerinnen des Streichorchesters im venezianischen Waisenhaus Ospedale della Pietà unter der Leitung von Antonio Vivaldi. Darunter gab es gefeierte Virtuosinnen, etwa Anna Maria dal Violin, für die Vivaldi und seine Kollegen Werke maßschneiderten. Midori Seiler folgt nun als Solistin und Dirigentin am Instrument mit Concerto Köln den Spuren ihrer frühen Vorgängerin. Die Kölner begeistern mit feurigen Einsätzen, wenn Tempo gefordert ist, mit lebhaftem Pulsieren, feiner Abstufung der Klangschichten, aufgeweckter Artikulation, exakt akzentuierten Details. Seilers Soli bringen eine enorme Bandbreite: zupackend musikantisch, hauchend, schluchzend, klagend, rasend, umschmeichelnd, frohlockend, mal nimmt sie die Pose der Spröden ein, mal die der Naiven. Immer elektrisierend in der Intensität.
La Venezia di Anna Maria
Vivaldi: Violinkonzerte c-Moll RV 120 & A-Dur RV 158, Violinkonzerte per Anna Maria d-Moll RV 248, Es-Dur RV 260, E-Dur RV 270a „Il Riposo per il Santissimo Natale“ & G-Dur RV 308, Sinfonia F-Dur RV 140
Galuppi: Concerto a quattro Nr. 1 g-Moll
Albinoni: Concerto a cinque B-Dur op. 10 Nr. 1
Midori Seiler (Violine & Leitung), Concerto Köln
Berlin Classics