Keine Frage, diese Pianistin hat das Klavierwerk von Franz Schubert in sich aufgesogen und verinnerlicht. Als die Chinesin Ran Jia in jenes Alter kam, in dem Heranwachsende in Schwärmereien verfallen, fiel die Wahl auf keine Boyband und auf keinen Schauspieler, sondern auf Franz Schubert, genauer gesagt auf dessen Klaviermusik. Um seinem kompositorischen Geist näherzukommen, ist die Studentin des renommierten Curtis Institute in Philadelphia sogar nach Deutschland gezogen. Anfang dieses Jahres gab sie einen Zyklus sämtlicher Schubert-Sonaten in der Berliner Philharmonie. Ihre leidenschaftliche Beziehung zum Wiener Komponisten hört man auf ihrem Debütalbum gleich in der 19. Klaviersonate, eigentlich ein nicht ganz unproblematisches Bravourstück, das seine Längen hat. Doch Ran Jia hat dieses Werk aus der späten Schaffensphase Schuberts so durchdrungen, dass die Sonate nicht mehr spielt, sondern fast schont erzählt, als sei diese eine Geschichte. Auch die 16. Sonate deklamiert sie mehr als dass sie sich auf Schönklang und technische Makellosigkeit beschränkt. Gleichzeitig schält sie jede einzelne Stimme, jede Nuance genüsslich heraus, als würde das Wohl des gesamten Werks davon abhängen, dass jede noch so kleine Phrase ins Wahrnehmungsfeld des Zuhörers gerät. Es bleibt also spannend zu erfahren, wie sie andere Komponisten außerhalb des Schubert’schen Kosmos’ interpretiert. Immerhin: Einen ersten Vorgeschmack gibt sie auf ihrer CD gleich mit, denn am Schluss spielt sie noch drei Präludien ihres Vaters, des Komponisten Jia Daqun.
Ran Jia: Schubert
Ran Jia (Klavier)