Diese Spielzeit ist auch für mich eine Besondere: Nach acht sehr inspirierenden Jahren ist es meine Abschiedssaison bei der Deutschen Radio Philharmonie. Als Chefdirigent sage ich im Sommer 2025 „Auf Wiedersehen“, „Auf Wiederhören“ oder ganz einfach „Hyvästi“, wie man bei uns in Finnland sagen würde.
Ich freue mich darauf, Sie mitnehmen zu dürfen in das Epizentrum meiner Klangwelt und das ist die Orchestermusik des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Spätromantik und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts sind mein emotionales Revier, da bin ich zu Hause.
Ich eröffne die Saison mit Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“. Wir freuen uns sehr auf Andrè Schuen, einen exzellenten, jungen Bariton, der gerade mit den drei großen Liederzyklen Schuberts für Begeisterungsstürme sorgt. Und Mahler steht auch in meinem letzten Konzert als Chefdirigent der Deutschen Radio Philharmonie auf dem Programm: „Des Knaben Wunderhorn“ mit der Altistin Gerhild Romberger. Zwei Traumbesetzungen.
Überhaupt macht es mich stolz, wie viele Künstler aus meiner „Musik-Familie“ die kommenden Monate meines Orchesters wieder zu einem wahren Klangrausch machen werden: Rudolf Buchbinder zeigt sich von einer weniger bekannten Seite und lockt in Gershwins Klavierkonzert jazzige Klänge aus dem Konzertflügel, mit den Pianistinnen Anna Vinnitskaya und Anastasia Voltchok kündigt sich ein Tastengewitter à la Rachmaninow an, Tschaikowskys Violinkonzert hören wir hinreißend-frisch mit Augustin Hadelich. Voller Vorfreude bin ich auch, wenn ich an Camilla Nylund und Andreas Schager denke, die meine Leidenschaft für die Musik Richard Wagners teilen. Mit ihnen gastieren wir im Festspielhaus Baden-Baden.
Ich stamme aus Finnland, habe meine Ausbildung unter anderem bei Leif Segerstam und Jorma Panula absolviert. Natürlich hat Jean Sibelius einen unverzichtbaren Platz in meinen Konzertprogrammen. Nach und nach haben wir unserem Publikum alle seine Sinfonien und viele seiner sinfonischen Raritäten präsentiert. Es gibt nicht viele Orchester, die Sibelius so kennen wie die Musikerinnen und Musiker der Deutschen Radio Philharmonie. Für mich schließt sich jetzt der Kreis: Wir vollenden unseren Sibelius-Zyklus mit seinem letzten Meisterwerk „Kalevala“ – eine sinfonische Dichtung auf der Basis des gleichnamigen finnischen Nationalepos.
Und dann ist da noch der 200. Geburtstag von Anton Bruckner. Seine Klangsprache ist der Deutschen Radio Philharmonie mit ihrer jahrzehntelangen Skrowaczewski-Tradition genauso nahe wie mir. Mit drei Bruckner-Sinfonien sind wir unterwegs u. a. im Großen Festspielhaus Salzburg, in der Basilika Ottobeuren und im Arsenal Metz.
Auch die Sinfonien von Dvorák zähle ich zu unseren Steckenpferden. Wir haben die Spielfreude und den Spaß – beides braucht man für diese Musik. Ohne Dvorák kann ich mir meine letzte Saison bei der Deutschen Radio Philharmonie nicht vorstellen. Nachdem wir den Sinfonien-Zyklus bei SWRmusic abgeschlossen haben, bringen wir die Neunte, „Aus der neuen Welt“, noch einmal zusammen auf die Bühne.
Die Deutsche Radio Philharmonie hat eine enorme musikalische Bandbreite, die wir immer versuchen auszuschöpfen. Das geht vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik, von der Exzellenzförderung in den jährlich alternierenden Wettbewerben „Saarbrücker Kompositionswerkstatt“ und der „Saarbrücker Dirigierwerkstatt“ bis hin zu unserem Education-Programm „Klassik Lieben Lernen“ mit der Reihe „Musik für junge Ohren“, die mir sehr am Herzen liegt, weil es ein Refugium ist, in dem junge Menschen ihre ersten Kontakte mit der klassischen Musik erleben.
Creative Partner des Orchesters ist in dieser Saison Jörg Widmann, selbst ein genialer Musikvermittler. In einer Schwerpunkt-Woche mit mehreren eigenen Werken, u. a. der Neuinstrumentation von Schumanns „Dichterliebe“, bekennt er sich zu seiner „Schumannliebe“. Sein zweiter Fokus gilt der „Romantik à la Widmann“: Komponisten wie Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy, die das Regelhafte aufbrechen, sind seine Inspiration, auch im eigenen Schreiben.
Unser Headquarter haben wir im Großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks und im SWR Studio Kaiserslautern, wir bereisen das Sendegebiet des SR und des SWR und sind auch sonst oft unterwegs. In unseren acht gemeinsamen Jahren haben wir sehr viel voneinander gelernt und wenn das Orchester so gut ist wie die DRP, lernt man sehr viel!
Hyvästi!
Ihr Pietari Inkinen