Fast fünf Sommerwochen lang gastiert Frankreich in Franken. In Bad Kissingen kann man nun die Welt- und Kulturstadt ganz intensiv erleben, in all ihrer Vielfalt – so, wie man es den Franzosen als kulinarischen Genießern nachsagt.
Wer mag, kann dabei in durch vier Jahrhunderte französischer Kulturgeschichte surfen: von den Barockmeistern mit ihrem launigen Esprit über die Romantiker, die vom süßen Liebeszauber bis zum finsteren Schauer alle Emotionen bedienten, über die Klangzauberer des frühen 20. Jahrhunderts bis zu den jungen Komponisten der Gegenwart. Man kann dabei durch alle Genres streifen: Von der Kleinkunst bis zur großen Konzertgala, vom Chanson- bis zum Opernabend ist alles vertreten, exquisite Raritäten inklusive.

Bestbesetzung
Alles wird in Bestbesetzung geboten – mit Orchestern, Ensembles, Solisten, Artisten. Das Orchestre Philharmonique de Radio France eröffnet unter der Leitung von Mikko Franck. Experimentierfreudig geschichtsbewusste Ensembles komplettieren das Bild. Das Orchester Les Siècles spielt alle Werke auf Instrumenten aus deren Entstehungszeit. An die Goldenen Zeiten kurz vor der Französischen Revolution erinnert das Concert de la Loge. William Christie und sein Ensemble Les Arts Florissants kommen mit einem Werk des Komponisten, der von jenseits des Kanals auf die französische Liebe zu Pracht und Emotionen antwortete: Georg Friedrich Händel.
Der Jubilar: Maurice Ravel
Im Defilee der Komponistinnen und Komponisten von Jean-Philippe Rameau bis Camille Pépin erhält Maurice Ravel als Jubilar des Jahres 2025 einen Vorzugsplatz. Der Klangmagier ist in Kissingen mit seinen großen Werken vertreten: mit den gefühl- und temperamentvollen Liebeserklärungen an den Wiener Walzer und der verführerischen Musik zu den Amouren von Daphnis und Chloe, mit den musikalischen Märchenbildern der »Mutter-Gans«-Suite und dem Klavierkonzert, aber auch mit seiner Kammermusik, die ihn mit ganz anderen Qualitäten zeigt.

Die ganze Vielfalt wäre nicht denkbar ohne den, der die romantische Welle in Frankreich ins Rollen brachte: Hector Berlioz. In der »Symphonie fantastique« trug er seine Shakespeare- und Beethoven-Begeisterung aus.
Europa in Paris
Wenn Frankreich zu Gast ist, klingt Europa mit. In Kissingen ist das zu spüren – am Programm und an den Künstlerinnen und Künstlern. Orchester kommen in Geschwistergruppen: die Bamberger Symphoniker und die Tschechische Philharmonie haben eine gemeinsame Vorgeschichte; in Bad Kissingen sind beide gern und oft zu Gast, diesmal unter Dalia Stasevska, Manfred Honeck und Tomáš Netopil. Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, die Symphonie-Orchester des Westdeutschen und des Bayerischen Rundfunks sowie das Münchner Rundfunkorchester haben ihre Wendigkeit und Präzision als Rundfunkensembles erworben – wie das Orchestre Philharmonique de Radio France; sie treten mit François Leleux, Cornelius Meister, Cristian Măcelaru und Ernst Theis auf die Bühne. Mit dem Orchestre Philharmonique de Liège unter Lionel Bringuier kommt ein Ensemble aus der Stadt, in der zwei bedeutende französische Musiker aufwuchsen: César Frack und Jacques Brel; das Royal Philharmonic Orchestra aus London entführt mit Anne-Sophie Mutter in die Klangwelt des Films; die großen Klassiker der Violinliteratur überlässt die Grande Dame ihren virtuosen Nachfolgerinnen auf den internationalen Konzertpodien: Isabelle Faust, Hilary Hahn und Vilde Frang. Am Cello glänzen zudem Johannes Moser und Alisa Weilerstein.


Dass Bad Kissingen in Sachen Klavier zu den Top-Adressen zählt, beweisen Namen wie Grigory Sokolov und Igor Levit, Jean-Yves Thibaudet, Pierre-Laurent Aimard, Daniil Trifonov, Lucas und Arthur Jussen, Bertrand Chamayou, dazu Jean Rondeau, der als Cembalist derzeit international Furore macht, und Olivier Latry, der die große französische Orgeltradition mitbringt. Mit dem Fauré Quartett , dem Quatuor Ébène aus Paris und dem Leonkoro Quartett gastieren Ensembles, die sich innerhalb kürzester Zeit in der Spitzengruppe ihres Fachs festsetzen konnten.
Größe der kleinen Form
Geht es um Paris, dann darf das Genre nicht fehlen, das nur bei seinem französischen Namen genannt werden kann: La Chanson, die Kunst von Piaf und Brel. Dominique Horwitz eröffnet die vierte Festspielwoche mit einem Brel-Abend. Sabine Devieilhe spielt in ihrem szenischen Chanson-Rezital mit den Grenzen zwischen U und E. Edith Piaf, erhält eine doppelte Hommage: durch Katharine Mehrling und im Abschlusskonzert.
Auch zu dieser besonderen Gesangskunst bietet Bad Kissingen kostbare Pendants: Christian Gerhaher und Gerold Huber rahmen ihren Schumann-Liederabend mit Zyklen nach Versen von Heinrich Heine. Xavier de Maistre, sensibler Virtuose des Harfenspiels, führt mit Martina Gedeck einen Dialog über den Zauber der Mondnacht.

Mit einer Burlesque-Revue kommt die frivole Welt der Pariser Cabarets auf die Bühne, und der zweite Festival-Rave bringt das Kurtheater mit Techno-Klängen des Pariser Undergrounds bis in die Morgendämmerung zum Brodeln.
Weltstadtflair weht durch Bad Kissingen – mit großen Gesten und kleinen Preziosen.
Ist es nicht eine schöne Vorstellung?