Die Zukunft ist immer anders
Mit diesem Motto sind wir in die neue Saison gestartet. Wir verstehen den Satz als Mutmacher. So unsicher und verunsichernd Zukunft auch zu sein scheint, wir können sie gestalten! Wir als Theater Lüneburg werden die Herausforderungen der Gegenwart annehmen, wir wollen neue Horizonte öffnen und diesem Gestaltungswillen und neuen Ideen Raum zu geben. Voraussetzung dafür ist, aus der Vergangenheit zu lernen und das Heute verstehen zu wollen.
In was für einer Welt leben wir? In einer Welt, in der in Europa Krieg herrscht. In einer Welt, in der die krisenhaften Situationen immer dichter aufeinander folgen und sich – schlimmer noch – gegenseitig bedingen und überlagern. In einer Welt, in der nichts mehr selbstverständlich erscheint, nicht einmal das respektvolle Miteinander in unserer eigenen Gesellschaft, in der die Demokratie, also das friedliche Aushandeln von Entscheidungen, zunehmend in Misskredit gerät. Parallelen zu den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts liegen nur allzu nahe. Deshalb haben wir die Spielzeit mit „Grand Hotel“ eröffnet, einem Musical, das die Schicksale ganz unterschiedlicher Menschen, allesamt gezeichnet von den Wunden des Ersten Weltkriegs und großer wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Verwerfungen, in der Lobby eines Hotels erzählt. Auch das Hotel hat schon bessere Tage erlebt und die Menschen hangeln sich zwischen tieftraurigen Momenten und urkomischen Begegnungen durch ein Leben voller Schmerz und Hoffnung. Die kommende Katastrophe ist und wir ahnen, was die Geschichten dieser Figuren mit unserem eigenen Leben zu tun haben.
Insgesamt beschäftigt sich unser Spielplan mit Facetten von „Zukunft“ und mit Veränderung. Veränderung der Sichtweise, der eigenen Lebensweise, und der Gemeinschaft, in der wir leben. Daher öffnet sich das Theater in vielfältiger Weise in die Gesellschaft hinein, durch neue Möglichkeiten der Partizipation, neue Spielorte und –formen, durch den Abbau von Hürden und umfangreiche Kooperationen.
Neu ist die „Akademie Junges Musiktheater“ unter der Schirmherrschaft von Musical-Star Thomas Borchert. Gemeinsam mit der Lüneburger Universität, der örtlichen Musikschule, verschiedenen Verlagen und weiteren Partnern wollen wir junge Menschen fördern, ihre Sichtweisen aufnehmen und gemeinsam zeitgemäße, junge Stoffe und Stücke entwickeln.
Im Rahmen der Akademie zeigen wir in dieser Saison zwei Produktionen: „Alice By Heart“ von Duncan Sheik und Steven Sater für alle ab 14 Jahren und „Emil und die Detektive“ nach dem Buch von Erich Kästner für alle ab 8 Jahren. Beides Stücke, in denen junge Protagonist:innen ihr Leben beherzt in die eigenen Hände nehmen. Die Dynamik und die Sichtweise auf Vergangenheit und Zukunft, die in der Arbeit mit jugendlichen Darsteller:innen entsteht und diese Produktionen bestimmt, liegt auch mir persönlich am Herzen.
Thomas Borchert selbst steht im Frühjahr 2025 ebenfalls wieder auf der Bühne bei uns im Theater: Er ist das Lüneburger Phantom der Oper in „Love Never Dies“ von Andrew Lloyd Webber.
Die große Oper dieser Saison ist Verdis „La Traviata“. Bei uns am Theater Lüneburg mit dem ergänzenden Titel „Eine Auferstehung“ in der Regie von Kerstin Steeb: eine Operninterpretation, die dem voyeuristisch-männlichen Blick auf die Kurtisane als eine „vom Weg abgekommene“ Frauenfigur die Selbstermächtigung ebendieser entgegenstellt. Die Regisseurin arbeitet mit Interventionen, die sie gemeinsam mit Salome Balthus (wahrscheinlich Deutschlands bekanntester Prostituierten) als „Realitätsabgleich“ entwickelt hat, durch die die Inszenierung eine feministische, zeitgenössische Sichtweise bekommt. Musikalisch wird Verdi ergänzt durch elektronische Kompositionen von Dong Zhou.
Abende wie diesen verstehen wir als Einladung, miteinander ins Gespräch zu kommen, einander zuzuhören, unterschiedliche Sichtweisen gelten zu lassen. Wir wollen ein Ort sein, an dem wir uns begegnen und etwas erleben – als Gemeinschaft in Vielfalt.
Aber natürlich darf Theater auch manchmal eine Einladung zum Träumen sein. Wir könnte die Welt sein, wenn sie anders wäre als sie ist?
„Die Csárdásfürstin“ von Emmerich Kálmán ist so ein Stück zum Träumen. Die Operette, im Kriegsjahr 1915 entstanden, erzählt allen realen Schrecken zum Trotz voller Heiterkeit, Humor und wunderschöner Melodien von der Liebe über gesellschaftliche Grenzen hinweg und setzt so ein Zeichen der Hoffnung. So wie auch „Die Maske in Blau“ von einer Welt erzählt, in der am Ende doch alles gut wird.
So wollen wir mit Ihnen gemeinsam die Spielzeit 2024/25 angehen. Voller Stolz auf das Erreichte mutig Neues wagen. Bewährtes und Vertrautes infrage stellen und voller Hoffnung aufbrechen in die Zukunft, die immer anders ist.
Ihr
Friedrich von Mansberg
Intendant Theater Lüneburg