„Tonal oder atonal?“, das ist hier die Frage. Arnold Schönberg selbst stellt sie in seinem kurzen Vokalstück „Am Scheideweg“, das zusammen mit „Vielseitigkeit“ und „Der neue Klassizismus“ die „Drei Satiren“ bildet. Angesichts der Tatsache, dass Schönbergs Musik von vielen noch immer vorschnell als unschön und missklingend abgestempelt wird, gerät häufig in Vergessenheit, welch ein genialer und humoristischer Geist hinter dem berüchtigten Zwölftöner steckte. Beweis seiner selbstironischen Selbstreflexion ist spätestens sein vierstimmiger Kanon „Man mag über Schönberg denken, wie man will“ (übrigens ein durch und durch wohlklingendes Werk). Das NDR Vokalensemble stellt den Komponisten nun als Romantiker der Moderne vor, als den „Konservativen, der den Fortschritt erhält“, wie er sich selbst einmal bezeichnet haben soll. Inspiration für seinen Weg fand Schönberg einst auch durch das Werk Franz Schuberts, das er studierte und bearbeitete. Vokalmusik beider Komponisten im Konzert nebeneinander gestellt, könnte tatsächlich mehr klangliche Parallelen zutage führen, als man zunächst vielleicht erwartet hätte.
André Sperber