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Termintipp

Offenbach: König Karotte

Nächstes Jahr wird weltweit der 200. Geburtstag von Jacques Offenbach gefeiert. Die Staatsoper Hannover nimmt aus diesem Grund schon jetzt König Karotte in den Spielplan, eine Weiterentwicklung der „Féerien“, wie man im 19. Jahrhundert große Ausstattungsstücke nannte, die märchenhafte Stoffe aufbereiteten. In diesem Sinne nannte Offenbach, der deutsch-französische Operettenkönig, sein Werk eine „Opéra-bouffe féerie“, in der also nicht nur gestaunt, sondern auch gelacht werden durfte – und das wahrlich nicht zu knapp. Die Uraufführung 1872 im Pariser Théâtre de la Gaîté dauerte nämlich sechs Stunden lang, die Mitwirkenden schlüpften zwischen neunzehn verschiedenen Bühnenbildern in unglaubliche 1150 Kostüme. 

Das Libretto schrieb kein geringerer als der erfolgsverwöhnte Dramatiker Victorien Sardou, den man heute vor allem wegen seines Textes zu Puccinis Tosca kennt. Er griff für König Karotte auf Motive aus E. T. A. Hoffmanns Märchen „Klein Zaches genannt Zinnober“ zurück. Es gab rund 200 Vorstellungen, Produktionen in London und Wien, aber irgendwann war der Aufwand zu groß, man spielte eher Kammerbearbeitungen, dann verschwand das Stück für fast 150 Jahre in der Versenkung. 

Jaques Offenbach
Jaques Offenbach © Universitätsbibliothek der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main

Mit dem deutsch-französischen Krieg wurde es für Jacques Offenbach schwer. Das Pariser Publikum begann ihn wegen seiner deutschen Wurzeln zu meiden. Die Situation wurde noch durch seine jüdische Herkunft verschärft. Die französische Presse unterstellte dem gebürtigen Kölner, ein Spion Bismarcks zu sein, während er, schon lange in Frankreich daheim, in den deutschen Medien als Vaterlandsverräter beschimpft wurde.

Im Zuge der neuen Offenbach-Edition von Jean-Christophe Keck wurde nun auch „König Karotte“ wieder ausgegraben – in Bezug auf den Titel passt gewiss kein Wort besser. Obwohl man auf den ersten Blick denken könnte, es handele sich bei all dem mitspielenden leckeren Gemüse wie Radieschen, Rübchen und Rote Bete um eine Kinderoper, ist das ein Irrtum, selbst wenn außerdem Hexen, Affen, Ameisen, Insekten und der Zauberer Quiribibi mit von der turbulent-absurden Partie sind. Es gibt ferner ein Bienenballett, intrigante Minister und als Männer verkleidete Frauen. 

Offenbach und Sardou ging es im niedlichen Gewande natürlich um satirische Gesellschaftskritik und bissige Obrigkeitsschelte. Denn der zwar sympathische, doch politisch noch nicht ganz reife König Fridolin wird abgesetzt, und eine Karotte, frisch vom Acker, soll seinen Thron einnehmen. Fridolin hingegen soll sich auf einer Weltreise für seinen Posten qualifizieren und, inzwischen erwachsen, ein aufgeklärter, guter Herrscher werden – mit der richtigen Frau an seiner Seite. Eine Wunderlampe befördert ihn auf dieser Erziehungs- und Bildungsreise sogar in die Ruinen des antiken Pompeji, die sich prompt wieder mit altrömischem Leben füllen. Offenbachs Zeitgenossen werden in dem abgesetzten Regenten Napoleon III. erkannt haben, der 1870 gestürzt worden war. Der Gemüsekönig Karotte und seine „unterirdische“ Entourage konnten wohl als Karikatur der Pariser Kommune verstanden werden. 

Am Schluss dann erhebt sich das Volk gegen das dominante Grünzeug, ergeht sich in Revolutionsgesängen und möchte endlich eine vernünftige Regierung haben. Und Fridolin, der inzwischen viele Abenteuer bestanden hat, wird von seinen Untertanen, die ihn durch Hexerei lange Zeit nicht erkannt hatten, erneut als König eingesetzt. Der Rest ist? Vielleicht Ratatouille. (Irene Bazinger)

Interpreten

Valtteri Rauhalammi (Leitung)
Matthias Davids (Regie)

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