Es mutet wie die Erfüllung eines hedonistischen Traums an: ein Leben ohne Verpflichtungen, mit einem in höchstem Maße gesicherten finanziellen Auskommen, stets der Suche nach dem schnellen Glück frönend. Das ist es, was der geheimnisvolle Fremde Nick Shadow dem Jungerben Tom Rakewell in Igor Strawinskys „The Rake’s Progress“ anbietet. Rakewell lässt sich auf eine wüste Reise durch das London des 18. Jahrhunderts ein, besucht Bordelle, heiratet auf dem Jahrmarkt, verprasst sein Geld am Spieltisch – nicht ahnend, dass der Teufel in Person hinter dem Spiel steht, und sein Lotterleben die eigene Existenz und die seiner Liebsten zerstört.
Strawinsky hat 1951 mit seinem einzigen abendfüllenden Musiktheater ein meisterhaftes Stück Neoklassizismus geschaffen, voller stilistischer, thematischer und musikalischer Reminiszenzen an die Vorgänger des Genres. In der Art der Nummernoper wechseln sich prachtvolle und lyrische Arien mit nur vom Cembalo begleiteten Rezitativen ab, und bei genauem Hinhören finden sich Spuren von Monteverdi über Mozart bis Verdi in der Partitur.