Tatort München 2021. Eine junge Orchestergeigerin träumt in Deutschlands bekanntester TV-Krimi-Reihe davon, ihre Konkurrentin um den Posten als Konzertmeisterin vom Dach des Münchner Kulturzentrums Gasteig ins Jenseits zu befördern – zu den finster, dramatisch anschwellenden Klängen des Münchner Rundfunkorchesters. Es wäre nicht der erste Mord, den das Orchester mit Klängen „begeht“, hat es doch die Melodien vieler Blockbuster im Repertoire, darunter Der Pate.
1952, aus der zweiten Gründungswelle hervorgegangen (die erste war in den Zwanzigerjahren), hatten die von Gebühren finanzierten Rundfunkklangkörper seinerzeit die Aufgabe, den Bedarf an Unterhaltungsmusik in der Nachkriegszeit zu stillen. Als ein Meister der „Gehobenen -Unterhaltungsmusik“ erwies sich der erste Chefdirigent Werner Schmidt-Boelcke (1952–1967). Gleichzeitig galt es, den Erziehungs- und Bildungsauftrag zu erfüllen, die von den Nazis zerschlagene Musikkultur wieder aufzubauen und die zeitgenössische Musik zu fördern. Die Archive wurden mit Studioproduktionen und Live-Mitschnitten gefüllt für den späteren Einsatz im Programm. Auch wenn das Münchner Rundfunkorchester nicht dafür verantwortlich zeichnete: Die Entwicklung etwa eines Karlheinz Stockhausen hätte ohne das Engagement des Rundfunks so nicht stattgefunden, auch dank ausgezeichneter Aufnahmestudios und dem Privileg, nicht zwanghaft auf die Quote schielen zu müssen.
„Wo sind die Kulturfuzzis?“
Auf Kurt Eichhorn (1967–1975), der einen legendären Orff-Zyklus vorlegte, folgten Dirigenten, die teils die Oper stärker in den Vordergrund rückten, aber auch in den Promenadenkonzerten den Horizont der Instrumentalmusik erweiterten sowie die Jugendarbeit in den Blick nahmen. Auf den früh verstorbenen Marcello Viotti (1954–2005) geht die bis heute sehr erfolgreiche Musica Sacra-Konzertreihe „Paradisi Gloria“ zurück.
Viottis Tod fiel in eine Zeit, in der dem Orchester aufgrund von Sparvorhaben die Auflösung drohte, trotz fester Verankerung im Musikleben der Region. „Wo sind die Kulturfuzzis?“, schimpfte Wolfgang Rihm bei einem Eröffnungskonzert der Donaueschinger Musiktage und rief die gebührenzahlende Öffentlichkeit auf, sich zum „Fuzzismus“ zu bekennen. Der zeigte Wirkung, denn zum 70. Geburtstag blickt das Münchner Rundfunkorchester zurück auf die Anfänge und versprüht den „Zauber schöner Melodien“.