Kann ein Werk, das auf Grundlage der Bibel die Entstehung der Welt beschreibt und dabei die Kehrseite, den Sündenfall des Menschen, bewusst ausspart, im 21. Jahrhundert noch glaubwürdig sein? Nein, findet der 1964 in Hannover geborene Komponist Thomas Hennig. Er attestiert Joseph Haydns „guter, lieber und artiger“ Schöpfung ein „Vermittlungsproblem“: Klimakrise, Kriege, Naturkatastrophen und der alles andere als pflegliche Umgang des Menschen mit der Umwelt könnten nicht ohne Tadel bleiben.
Von 2019 an konzipierte Hennig daher mit „Ein Sündenfall“ sechs dunkle Einschübe für Haydns klassisches Oratorium. Darin klingen Voltaires philosophische Gedanken zum großen Erdbeben von Lissabon und dessen naturverbundenes Finale aus „Candide“ ebenso an wie die Ansprache Kaiser Wilhelms II. zur Mobilmachung am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Der mit „Brüder im Nebel“ überschriebene Satz nimmt überdies Bezug auf den Umgang mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Der Komponist selbst leitet die Uraufführung des Gesamtwerks mit dem Berliner Oratorien-Chor.