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Bücherfrühling – Edgar Selge: Hast du uns endlich gefunden

Sprachgewaltiges Debüt

Der Schauspieler Edgar Selge hat tief in seinen Kindheitserinnerungen gegraben und mit seinem Debüt einen Roman geschaffen, der unter die Haut geht.

vonJulia Hellmig,

Edgar Selge ist nicht nur ein begnadeter Charakterdarsteller, sondern auch ein bemerkenswert feinsinniger Autor. Mit seinem Erstlingswerk ist ihm ein literarisches Meisterstück zwischen Humor und Melancholie, Hoffnung und Endgültigkeit gelungen. Selge gräbt tief in seinen Kindheitserinnerungen und versetzt den Jungen, der deutliche autobiografische Parallelen zu seinem Leben aufweist, in sein Elternhaus um das Jahr 1960 zurück.

„Mit seinen muskulösen Armen schaufelt er täglich Etüden wie ein Kohlearbeiter“, schreibt Selge über seinen Cello spielenden Bruder. Es sind Sätze wie diese, die man sich unbedingt merken möchte. Jede Seite verspricht neue Überraschungen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen dem Selge von damals und heute. Besonders die musikalischen Beschreibungen sind so treffend wie erkenntnisreich. Das liegt wohl daran, dass sein Vater zum einen Direktor der nachbarschaftlichen Herforder Justizvollzugsanstalt für Jugendliche war und zum anderen leidenschaftlicher Pianist, der regelmäßig Hauskonzerte mit namhaften Solisten für seine Häftlinge veranstaltete. Dessen Vater wiederum war Königlicher Musikdirektor in Berlin und Edgar Selge selbst begann ein Klavierstudium in Detmold, ehe er sich dem Schauspiel widmete.

Auf der Suche nach Antworten

Die Musik scheint das verbindende Element in der Familie zu sein. Doch nach und nach treten tief verborgene Abgründe zutage: Die vergeudeten Kriegsjahre, die politischen Auseinandersetzungen seiner Brüder mit den Eltern, die exzessiven Gewaltausbrüche des scheinbar so kultivierten Vaters, der verlorene Sohn. Selge verbindet sich mit seinem zweifelnden jüngeren Ich auf der Suche nach Antworten. Trotz aller Einsamkeit beschreibt er seine Eltern und Mitmenschen mit einem liebevollen und wahrhaftigen Blick. Sentimental oder gar rührselig wird er dabei nie. Das hat der Wortkünstler Edgar Selge auch gar nicht nötig.

Buch-Tipp

Album Cover für Hast du uns endlich gefunden

Hast du uns endlich gefunden

Edgar Selge Rowohlt, 301 Seiten 24 Euro

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