Der Programmleiter, Dramaturg und Musikjournalist Bernd Feuchtner agiert in seiner imponierenden Topographie mit Herz, Hirn und Bauch. Diese Kombination macht die von Debussy bis Peter Eötvös, Olga Neuwirth und Kaija Saariaho reichende Darstellung zu einer Pionierleistung. Feuchtner verfährt bei seiner Auswahl subjektiv. Das Schaffen außereuropäischer Länder repräsentiert er umfassend und widmet sich mit Enthusiasmus der Vielfalt stilistischer und typologischer Charakteristika. In vier Exkursen gibt er suggestive Anreize zur Beschäftigung mit dem, was in diesem Band trotz verschwenderischer inhaltlicher Fülle fehlen muss.
Ein Bühnenwerk je Komponist*in
Von einem Komponisten bzw. einer Komponistin (Nr. 1 ist Ethel Smyths „The Wreckers“, 1906) gibt es maximal ein Opus. Feuchtner rehabilitiert Hans Pfitzner als Mitgestalter des Jugendstils („Die Rose vom Liebesgarten“, 1901). Das „Phänomen der dramaturgischen Entschleunigung“ wird so plastisch wie der Strang von Werken mit religiös-spirituellen Sujets. Im Vorwort liefert Feuchtner eine Tabelle mit den im deutschen Sprachraum meistgespielten Komponisten des 20. Jahrhunderts in der Spielzeit 1999/2000. Betreffend Vielfalt der Formen und ästhetischen Wege spiegelt seine Zusammenstellung die Risse des 20. Jahrhunderts durch eine anti-humane und von technisch-medialer Beschleunigung angetriebene Geschichte. In den Einzeldarstellungen durchdringen sich Handlungsbeschreibung, musikalische Darstellung und kulturgeschichtliche Verortung. Spannend, unterhaltsam und immer höchst informativ.