Wie klingt ein Klavier, wenn es nach Käse klingen soll? Und wie weiß ein Klavierstimmer, dass seine Vorstellung davon mit der seines Kunden übereinstimmt? In ihrem preisgekrönten Roman „Der Klang der Wälder“ beleuchtet die Japanerin Natsu Miyashita das facettenreiche Handwerk des Klavierstimmens. Ihren Ich-Erzähler Tomura treiben darin eben solche Fragen um. Von der technischen Umsetzung ganz zu schweigen. Im Internat beobachtet er einen Klavierstimmer bei der Arbeit. Der Klang, den dieser dem Flügel entlockt, berührt den jungen Mann; er hört, fühlt und riecht den geliebten Wald des abgelegenen Bergdorfs, aus dem er stammt. Für Tomura öffnet sich damit die Tür zu einer unbekannten und zugleich vertrauten Welt, die er fortan hingebungsvoll, aber auch voller Selbstzweifel erkundet.
Eine Hommage an alle Stimmer
Die klassische Musik nimmt ihn gefangen. Dabei ist ihm jeweils die Version eines Stücks, die er als Erste hört, „die liebste, ganz wie ein frisch geschlüpftes Küken das Wesen, das es zuerst erblickt, für seine Mutter hält“. Nach seiner Ausbildung zum Klavierstimmer strebt Tomura nach Perfektion. Als er die talentierte Kazune spielen hört, keimt in ihm ein Wunsch: künftig ihr Klavierspiel, das – ebenso wie Miyashitas Sprache – ruhig, klar und „perlend“ ist, mit dem auf ihre Spielweise abgestimmten Klang zu unterstreichen. Ein Lesegenuss voller Naturbilder. Leise und fesselnd zugleich. Und eine Hommage an alle Stimmer, die ihr Können und ihre Kunst in den Dienst der Pianisten stellen, damit die Musik ihren vollen Zauber entfalten kann.