Tut man der Stadt Leipzig eigentlich einen Gefallen, wenn man ein Buch über ihre Musikgeschichte schreibt? Eine Stadt, die dem Vorurteil nach kulturell mehr von ihrer Vergangenheit zehrt, als dass sie künstlerische Impulse in die Gegenwart aussendet. Doch das gegenwärtig Bedeutsame erschließt sich oft erst in der Rückschau, und die reicht in Hagen Kunzes Biografie der Kulturmetropole bis ins 13. Jahrhundert zurück, als mit der Stiftung des Thomasklosters durch Markgraf Dietrich der Thomanerchor gegründet wurde. Dieser und die lange Liste seiner Kantoren – allen voran Johann Sebastian Bach – sowie das Gewandhausorchester als ältestes bürgerliches Konzertorchester des deutschsprachigen Raumes bilden zwei rote Fäden in dieser lebendigen und detailreichen Darstellung der traditionsreichen Musikstadt.
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Neben Bach, Telemann, Mendelssohn, Clara und Robert Schumann sowie Gustav Mahler haben auch Mozart, E. T. A. Hoffmann, Brahms, Grieg, Wagner und Max Reger in Leipzig gewirkt oder entscheidende Impulse erhalten. Hier wird schon früh ein bürgerliches Opernhaus eröffnet, hier gründet Felix Mendelssohn die älteste deutsche musikalische Ausbildungsstätte und leitet mit der Aufführung der „Matthäus-Passion“ die Bach-Renaissance ein. Hier wird das Verfahren des technischen Notendrucks von den Verlagsgründern Johann Gottlob Immanuel Breitkopf und Carl Friedrich Peters revolutioniert und zur DDR-Zeit die Straßenmusik unter dem Schutz von Gewandhauskapellmeister Kurt Masur zum Wegbereiter der Friedlichen Revolution. Auch vom Swing der Nazi-Zeit, vom ersten Rammstein-Konzert vor vierzig Zuhörern und von der Aufführung der „Johannes-Passion“ im Corona-Jahr 2020 mit nur drei Musikern berichtet der Autor in seiner höchst lesenswerten Biografie, nach deren Lektüre man auch an der gegenwärtigen Bedeutung der Stadt für die Musik nicht mehr zweifelt.