Über die Funktion und Aufgabe des Theaters wurde schon viel gesprochen und geschrieben. Und sofern die Theaterkunst ihre gesellschaftliche Breitenwirkung nicht vollends verliert (was leider im Bereich des Möglichen ist), muss der Diskurs immer wieder neu geführt werden. Der große Opernintendant Gerard Mortier befand einmal, Theater zu machen würde bedeuten, „die Routine des Alltäglichen zu durchbrechen, die Akzeptanz wirtschaftlicher, politischer und militärischer Gewalt als Normalität infrage zu stellen, die Gemeinschaft zu sensibilisieren für Fragen des menschlichen Daseins.“ Womit ich Sie zur Frage hingeleitet habe, die Peter Krause stellt: Ist es barbarisch, das Grauen von Auschwitz auf die Opernbühne zu bringen? Anlass ist Mieczysław Weinbergs „Die Passagierin“, in der eine ehemalige Auschwitz-Inhaftierte ihre einstige KZ-Aufseherin wiedersieht. Seit der szenischen Uraufführung 2010 fand die Oper zahlreiche Neuinszenierungen in Deutschland. Von Mortier stammt übrigens auch diese schöne Definition: „Theater ist eine Religion des Menschlichen“.
Ob Julian Prégardien diesen Satz unterschreiben würde, weiß man nicht. Doch der Tenor versteht es auf unnachahmliche Weise, Sakralmusik, Oper und Liedgesang gleichermaßen mit Leben und Menschlichkeit anzufüllen. In dieser Ausgabe steht aber nicht seine Sangeskunst im Vordergrund, sondern sein Urteil über Aufnahmen seiner Kollegen. Bei unserem „Blind gehört“-Interview spart Prégardien ebenso wenig mit Lob wie mit Kritik, auch war seine Treffsicherheit beim Erraten der Interpreten erstaunlich hoch.
Wer aber nicht hören will, der muss lesen, denken wir uns auch in diesem Herbst und stellen Ihnen wieder spannende, informative, kuriose und unterhaltsame neue Bücher rund um das Thema Musik vor.
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