Lieblingsplatten kramt man immer wieder hervor, sie liefern in fast jeder Lebenslage den passenden Soundtrack, wecken Erinnerungen, spenden Freude oder Trost. Also beschallte ich mich in den ersten Tagen des Corona-Shutdowns fleißig mit dem Album „Byrd in Hand“ des US-amerikanischen Jazz-Trompeters Donald Byrd und testete es auf seine Qualitäten in der sozialen Abgeschiedenheit. Ist diese meisterhafte Musik aus dem Jahr 1959 tatsächlich „einsame-Insel-tauglich“? Ich lauschte Sam Jones’ sanftem Walkingbass, dem Swing in Art Taylors Schlagzeugbegleitung, dem zurückhaltenden Klavierspiel von Walter Davis Jr. und dem virtuosen Zusammenspiel zwischen Saxofonist Charlie Rouse und Donald Byrd an der Trompete. Und: Volltreffer! Wie so oft, wenn ich diese Platte auflege, kam mir auch diesmal wieder der Gedanke, dass die Natürlichkeit der Aufnahme beinahe den Eindruck entstehen lässt, die Musiker stünden direkt neben mir im Wohnzimmer – in Zeiten von Social Distancing nicht unbedingt die schlechteste Eigenschaft einer Lieblingsplatte.
Wir waren also zu sechst in der Wohnung, die Band und ich als einziger Zuhörer. Klappt doch ganz gut, dachte ich – auch mit dem Hintergedanken an die zahlreichen Pressemitteilungen in meinem Postfach von Hauskonzerten, die ins Internet hinaus- und direkt in die Wohnzimmer hineingestreamt werden sollten. Eine Zeit lang sollte man doch so die konzertfreie Zeit überbrücken können, ob nun mit der Lieblingsplatte oder einem Stream aus den Weiten des Internets.