„Niemand ist eine Insel“, schrieb der englische Schriftsteller John Donne im 16. Jahrhundert – ein geflügeltes Wort, das uns allen suggerieren soll, dass das Allgemeinwohl jeden angeht und wir als Gesellschaft zusammenhalten müssen. Ich bin mir sicher: John Donne hätte anders geschrieben, würde er im Hier und Jetzt zurzeit der Coronakrise leben. Denn derzeit zerfällt die Welt, zerfällt die Menschheit nicht mehr nur in Kontinente, sondern in ganze Insel-Archipele. Jeder für sich ist ein kleines Eiland, teils mit einem, teils mit mehreren (Familien-)Bewohnern. Der Abstand wird nicht durch trennende Gewässer, sondern Social Distancing bestimmt, das alle voreinander, vor dem Virus schützen soll.
In der concerti-Redaktion kam angesichts der Homeoffice-bedingten Inselbildung der Mitarbeiter die Frage auf: Wie sieht euer Insel-Soundtrack aus? Was hört ihr in dieser Krise? Welche Musik gibt euch Halt? Eine Frage, die ich nicht mit einem Album, sondern eigentlich mit einer Komposition aus Kakophonien beantworten muss. In meinem Insel-Vielklang mischen sich die Spieluhr und Rassel der Einjährigen mit Mozarts „Zauberflöte“ oder der Song-Compilation „Unter meinem Bett“ der Fünfjährigen und dem gelegentlichen, erzürnten Koloratursoprangeheul beider Kinder, wenn die eine der anderen das Spielzeug streitig macht. Dazu rumpeln – gerne auch parallel – Waschmaschine, Trockner und Spülmaschine im Chor, während ich am Esstisch sitze und diese Zeilen wahlweise zu Dvořáks Klavierquintett op. 81 (in der Aufnahme von Swjatoslaw Richter und dem Borodin Quartett) oder Rammsteins Album „Mutter“ schreibe – die Auswahl ist bedingt durch das aktuell regelmäßig strapazierte Nervenkostüm. Eltern von Kindern, die die Krisenschließung von Kitas und Schulen in Eigeninitiative überbrücken müssen, werden diese stilistische Divergenz sicher nachvollziehen können.
Ergänzt wird diese doch recht diverse Playlist durch musikalische Recherchen zu den kommenden Heftthemen, denn eines ist trotz Krise gleich geblieben: Es gibt immer neue Aufnahmen, neue spannende Künstler, interessantes neues oder neu interpretiertes altes Repertoire zu entdecken. Ich ziehe meine Energie und meinen Optimismus im Angesicht der Krise aus der Vielseitigkeit, die die Musik uns jeden Tag schenkt und die jedes Virus in seine Grenzen weist. Und so bleibt mir nur zu hoffen, dass – ganz im Sinne John Donnes – wir wieder zu Gesellschaftskontinenten zusammenwachsen und Corona bald „die Stunde schlägt“.