In wenigen Tagen beginnen die Schwetzinger SWR Festspiele. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihre erste Ausgabe?
Cornelia Bend: Ich freue mich auf besondere Momente und gelungene Produktionen, auch auf einen intensiven Austausch, auf inspirierende Künstlerinnen und Künstler und hoffentlich auf ein sehr glückliches und aufgeschlossenes Publikum. Angesichts der über 60 Veranstaltungen bin ich euphorisch und auch selbst gespannt, wie alles funktionieren wird, weil ich selbst auch alle Programme genießen möchte.
Das Motto der diesjährigen Ausgabe heißt „Verführung“. Wie kam es dazu und worin besteht diese für Sie?
Bend: Unsere Opernuraufführung „Adam und Eva“ von Mike Svoboda nach der Komödie von Peter Hacks war die Initialzündung für das Motto. Als historische Wiederentdeckung habe ich „Amor vincitore“ von Johann Christian Bach gewählt – auch ein Verführungsthema. Ich habe die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler ermutigt, ihre Programme thematisch anzupassen. Vieles davon wurde speziell für die Festspiele konzipiert. Verführung bedeutet für mich dabei nicht nur sinnliche Anziehung, sondern auch eine Möglichkeit, sich auf Neues einzulassen, auf Überraschungen, auf Kunst als bewegende Kraft, die Perspektiven verändert und Sinne schärft. Und das Schwetzinger Schloss – dieser zauberhafte Park, das Rokoko-Theater – ist ein verführerischer Musenort, der zusammen mit Musik, Tanz und auch Kulinarik zu einer sinnlichen Entdeckungsreise einlädt.
Die Uraufführungsopern sind schon lange das Highlight der Festspiele: Was erwartet uns in Mike Svobodas Auftragswerk „Adam und Eva“?
Bend: Eine facettenreiche Produktion und eine spannende Mischung aus Neuer Musik, Jazz, Performance und viel Humor. Ich habe den Eindruck, dass das im aktuellen Kulturbetrieb eher selten zu finden ist. Das Werk liefert die spannende musikalische Antwort auf die Frage, wie der Beginn der Menschheitsgeschichte klingen kann. Mit dem Biss in den Apfel treten die Menschen aus dem Paradies in die Welt hinein und die Zeitrechnung beginnt. Doch bei Hacks ist der Verlust der Unsterblichkeit nichts Bedauernswertes, sondern die Selbstermächtigung zu Freiheit und Eigenverantwortung. Das raffinierte Ton- und Videokonzept spielt mit Erwartungen und die Produktion bietet viel, sowohl für Einsteiger als auch für Kenner.
Die Räumlichkeiten des Schwetzinger Schlosses haben sich als Veranstaltungsort bewährt. Welche Bestrebungen gibt es, das Festival vor allem in Richtung Stadt zu öffnen?
Bend: Wir möchten die Tore zukünftig sehr weit öffnen und in die Stadt wirken. So ist „SPARK – Die klassische Band“ auf dem Schlossplatz am 3. Mai bei einem frei zugänglichen Open-Air-Konzert an Spargelsamstag zu erleben. Mit dem neuen Format „Classic meets Club“ laden wir junge Menschen am 17. Mai in den Schwetzinger Club Basement ein. Weiterhin gibt es die beliebte musikalische Stadtführung „Im Paradies der Tonkünstler“ und ein Wandelkonzert im Park. Neu dazu kommt das niederschwellige Gesprächsformat „Stars an der Bar“ in der Kurfürstenstube, wo Künstler mit dem Publikum aber auch mit weiteren Interessierten in direkten Austausch treten können.
Welche neuen Schwerpunkte möchten Sie zukünftig setzen – gibt es schon konkrete Pläne?
Bend: Das Thema Musikvermittlung ist für mich von zentraler Bedeutung. Ich habe selbst erfahren, wie prägend künstlerische Erlebnisse in der Jugend sein können. Deshalb wollen wir jedem Kind und Jugendlichen in Schwetzingen während der Festspielzeit ein passendes Angebot machen. Den Bereich haben wir mit 19 Veranstaltungen – Workshops, szenische Produktionen, Probenbesuche – deutlich ausgebaut. Ein Beispiel ist das Projekt zur „Schönen Müllerin“ mit Julian Prégardien, im Rahmen dessen sich Jugendliche mit den Themen Liebe, Einsamkeit und Tod auseinandersetzen. Langfristig soll die sogenannte „Schwetzinger Dramaturgie“ weiterentwickelt werden– mit der Kombination aus Uraufführung, Wiederentdeckung und Förderung junger Talente. Ich arbeite eng mit dem Forschungszentrum „Hof | Musik | Stadt“ zusammen, um weitere unbekannte Werke ans Licht zu bringen. Darüber hinaus sollen noch mehr junge Künstlerinnen und Künstler eine Bühne bekommen, die bisher noch nicht in Schwetzingen waren. Schließlich möchte ich das Festival einer größeren musikalischen Bandbreite öffnen.
Welche Veranstaltungen empfehlen Sie besonders?
Bend: Selbstverständlich alle. Direkt zum Saisonstart ist die Doppelveranstaltung am 3. Mai mit Katja Riemann besonders hervorzuheben. Sie kombiniert zunächst Texte von Roger Willemsen mit Musik aus Camille Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“ und am späteren Abend eigene Texte über die Macht gefährlicher Ideologien. Aber eigentlich möchte ich alle Gäste einladen, mutig zu sein, auch ohne Vorwissen zu kommen, sich dem Unbekannten zu öffnen und sich überraschen zu lassen. Der Reiz liegt im Entdecken – und das Festival bietet dafür ideale Bedingungen.